Der Pilgrim von Friedrich Schiller

Noch in meines Lebens Lenze
War ich, und ich wandert aus,
Und der Jugend frohe Tänze
Ließ ich in des Vaters Haus.
 
All mein Erbteil, meine Habe
Warf ich fröhlich glaubend hin,
Und am leichten Pilgerstabe
Zog ich fort mit Kindersinn.
 
Denn mich trieb ein mächtig Hoffen
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Und ein dunkles Glaubenswort,
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»Wandle«, riefs, »der Weg ist offen,
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Immer nach dem Aufgang fort.
 
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Bis zu einer goldnen Pforten
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Du gelangst, da gehst du ein,
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Denn das Irdische wird dorten
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Himmlisch unvergänglich sein.«
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Abend wards und wurde Morgen,
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Nimmer, nimmer stand ich still,
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Aber immer bliebs verborgen,
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Was ich suche, was ich will.
 
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Berge lagen mir im Wege,
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Ströme hemmten meinen Fuß,
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Über Schlünde baut ich Stege,
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Brücken durch den wilden Fluß.
 
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Und zu eines Stroms Gestaden
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Kam ich, der nach Morgen floß,
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Froh vertrauend seinem Faden,
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Werf ich mich in seinen Schoß.
 
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Hin zu einem großen Meere
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Trieb mich seiner Wellen Spiel,
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Vor mir liegts in weiter Leere,
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Näher bin ich nicht dem Ziel.
 
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Ach, kein Steg will dahin führen,
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Ach, der Himmel über mir
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Will die Erde nie berühren,
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Und das Dort ist niemals Hier.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Der Pilgrim“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
185
Entstehungsjahr
1759 - 1805
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Pilgrim“ von Friedrich Schiller handelt von einer Person, die in jungen Jahren das Elternhaus verlässt, um auf eine Reise zu gehen. Getrieben von Hoffnung und Glauben an ein Ziel, begibt sich der Protagonist auf einen Pilgerweg, der viele Hindernisse wie Berge, Flüsse und Schluchten mit sich bringt. Die Person folgt einem Fluss, der schließlich in ein großes Meer mündet, das aber weiterhin keine Nähe zum angestrebten Ziel bietet. Der Pilger erkennt, dass der gesuchte Ort, an dem das Irdische unvergänglich wird, niemals erreicht werden kann.

Die Aussage des Gedichts ist, dass trotz intensiven Strebens und ständiger Suche das angestrebte Ziel, das absolute Glück oder Unvergänglichkeit, auf Erden niemals wirklich erreichbar ist. Zugleich zeigt das Gedicht eine Lebensreise voller Hindernisse und Entbehrungen, welche die Schönheit und Melancholie der menschlichen Existenz widerspiegeln. Der Pilgrim steht metaphorisch möglicherweise für den suchenden, hoffenden und unvollkommenen Menschen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Pilgrim“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Schiller. Geboren wurde Schiller im Jahr 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg. Zwischen den Jahren 1775 und 1805 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Bei dem Schriftsteller Schiller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Die Epoche des Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Rebellieren oder Auflehnen gegen die Aufklärung zusammenfassen. Das literarische und philosophische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Autoren im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und endete mit Goethes Tod im Jahr 1832. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Prägend für die Zeit der Klassik ist der Begriff Humanität. Menschlichkeit, Toleranz, Schönheit, Selbstbestimmung und Harmonie sind wichtige inhaltliche Merkmale der Klassik. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Kennzeichnend ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Vernunft und Gefühl. Die Autoren haben in der Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Schiller, Goethe, Herder und Wieland bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 185 Worte. Weitere Werke des Dichters Friedrich Schiller sind „Breite und Tiefe“, „Bürgerlied“ und „Columbus“. Zum Autor des Gedichtes „Der Pilgrim“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 220 Gedichte vor.

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