Der Alpenjäger von Friedrich Schiller

Willst du nicht das Lämmlein hüten?
Lämmlein ist so fromm und sanft,
Nährt sich von des Grases Blüten,
Spielend an des Baches Ranft.
»Mutter, Mutter, laß mich gehen,
Jagen nach des Berges Höhen!«
 
Willst du nicht die Herde locken
Mit des Hornes munterm Klang?
Lieblich tönt der Schall der Glocken
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In des Waldes Lustgesang.
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»Mutter, Mutter, laß mich gehen,
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Schweifen auf den wilden Höhen!«
 
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Willst du nicht der Blümlein warten,
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Die im Beete freundlich stehn?
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Draußen ladet dich kein Garten,
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Wild ists auf den wilden Höhn!
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»Laß die Blümlein, laß sie blühen!
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Mutter, Mutter, laß mich ziehen!«
 
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Und der Knabe ging zu jagen,
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Und es treibt und reißt ihn fort,
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Rastlos fort mit blindem Wagen
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An des Berges finstern Ort,
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Vor ihm her mit Windesschnelle
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Flieht die zitternde Gazelle.
 
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Auf der Felsen nackte Rippen
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Klettert sie mit leichtem Schwung,
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Durch den Riß geborstner Klippen
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Trägt sie der gewagte Sprung,
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Aber hinter ihr verwogen
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Folgt er mit dem Todesbogen.
 
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Jetzo auf den schroffen Zinken
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Hängt sie, auf dem höchsten Grat,
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Wo die Felsen jäh versinken
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Und verschwunden ist der Pfad.
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Unter sich die steile Höhe,
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Hinter sich des Feindes Nähe.
 
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Mit des Jammers stummen Blicken
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Fleht sie zu dem harten Mann,
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Fleht umsonst, denn loszudrücken
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Legt er schon den Bogen an.
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Plötzlich aus der Felsenspalte
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Tritt der Geist, der Bergesalte.
 
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Und mit seinen Götterhänden
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Schützt er das gequälte Tier.
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»Mußt du Tod und Jammer senden«,
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Ruft er, »bis herauf zu mir?
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Raum für alle hat die Erde,
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Was verfolgst du meine Herde?«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Der Alpenjäger“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
251
Entstehungsjahr
1759 - 1805
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht heißt „Der Alpenjäger“ und wurde von Friedrich Schiller verfasst, einem namhaften deutschen Dichter der Weimarer Klassik im 18. Jahrhundert.

Bei erster Lektüre entfaltet sich vor dem inneren Auge eine alpine Landschaft und der ungestüme Drang eines jungen Jägers, die friedlichen Tätigkeiten des Lämmchenhütens, der Herdenführung und des Blumengartens hinter sich zu lassen. Gleichzeitig liegt ein düsterer Unterton in der unentwegten Jagd auf die wehrlose Gazelle.

Die ersten drei Strophen erzählen von der unzufriedenen Jugend des Alpenjägers, der die ruhige Häuslichkeit zugunsten der wilden Jagd verlässt. In den folgenden zwei Strophen wird die rastlose Verfolgung der Gazelle dargestellt, deren Schönheit und Geschick den Jäger in gefährliche und unwirtliche Gebiete führen. In der siebten und achten Strophe tritt ein Berggeist ein, der die Gazelle vor dem tödlichen Pfeil des Jägers schützt und den Jäger für seine rücksichtslose Jagd tadeln.

Formal gesehen ist das Gedicht in acht gleichbleibende Strophen à sechs Verse gegliedert. Die Reimform ist symmetrisch – paarweise Reime in den ersten vier Zeilen, während die letzten zwei Zeilen jeweils dieselbe Endung haben, was die wiederholte Forderung des Jungen ausdrückt.

Die Sprache des Gedichts ist reich an Bildern. Die alpine Landschaft und die Dynamik der Jagd werden so lebendig und führen in die Gefühle und Gedanken des Jägers und der Gazelle. Die Sprache macht auch deutlich, dass der Jäger durch seine rücksichtslose Verfolgung der Gazelle, unwirtliche und gefährliche Gebiete erreicht, symbolisch dafür, dass ein unkontrollierter und rücksichtsloser Drang zu Gefahren führen kann.

Das lyrische Ich ist nicht eindeutig gekennzeichnet, wirkt jedoch als Beobachter und Berichterstatter der Ereignisse. Das Gedicht kann als Mahnung verstanden werden, dass ungebändigter Ehrgeiz und rücksichtslose Verfolgung unserer Ziele zu Gefahren führen und letztlich von höherer Instanz - hier symbolisiert durch den Berggeist – gestoppt werden können.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Alpenjäger“ ist Friedrich Schiller. Geboren wurde Schiller im Jahr 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg. Im Zeitraum zwischen 1775 und 1805 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei Schiller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Schriftsteller der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Zentrale Vertreter dieser Literaturepoche waren Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise im Jahr 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod im Jahr 1832 ihr Ende nahm. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Autoren der Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik kennzeichnend. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Schiller, Goethe, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Klassik betrachtet werden. Aber nur Schiller und Goethe motivierten und inspirierten einander durch eine intensive Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 251 Worte. Die Gedichte „An die Parzen“, „An die Sonne“ und „An einen Moralisten“ sind weitere Werke des Autors Friedrich Schiller. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Alpenjäger“ weitere 220 Gedichte vor.

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