Das Gastmahl des Theoderich von Carl Streckfuß
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Wild tobt beim kriegerischen Schmause |
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Die Lust zum schäumenden Pokal |
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Und wälzt sich, gleich dem Meergebrause, |
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Hin durch den hochgewölbten Saal. |
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Bald in der Brust der rauhen Zecher |
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Entflammt die Freude sich zur Wuth. |
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Schon klirrt das Schwert zum Klang der Becher, |
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Schon mischt dem Weine sich das Blut. |
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Wie kann in königlichen Hallen, |
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O greiser Held, Theoderich, |
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Dir die Barbarenlust gefallen? |
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Was stürzt in solchen Wirbel dich? |
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Dich, den die Herrscher zagend preisen, |
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Den Helden mit der klaren Kraft, |
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Den Schüler und den Schutz der Weisen, |
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Den Hort der Kunst und Wissenschaft? |
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Dich, der du um die Unterjochten, |
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Noch voll von Haß und Schrecken jüngst, |
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Der Liebe festes Band geflochten; |
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Der du ein greises Volk verjüngst, |
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Und durch Gerechtigkeit und Milde |
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Italiens hellen Glanz erneust, |
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Und in verödete Gefilde |
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Des Glückes reichen Samen streust? |
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Erliegt die freie, starke Seele, |
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Der schönsten Thaten sich bewußt, |
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So gänzlich unter Einem Fehle? |
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Zerdrückt er ganz die Heldenbrust? |
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Du suchst dir selber zu entweichen, |
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Du fliehst vor deiner Schuld und Schmach, |
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Doch ihre Schreckgestalten schleichen |
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Zum lauten Mahl dir grinsend nach. |
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Er hat zwei Treffliche getödtet |
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In seines Zornes blindem Wahn, |
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Und nun, wohin er flieht, da röthet |
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Ihr Blut des flücht’gen Fußes Bahn. |
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Weh! daß er selbst im Glanz der Sterne |
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Ihr brechend Auge schauen muß! |
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Ihm zürnen nah, ihn drohen ferne |
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Boëthius und Symmachus. |
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Jetzt starrt, von Schwermuthsnacht umdunkelt, |
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Er bodenwärts vom gold’nen Sitz; |
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Jetzt aus erhob’nem Auge funkelt |
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Ein jäher, schnell erloschner Blitz. |
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Entzündet Schaam ihn? Reue? Grausen? |
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Ist’s irren Wahnsinns Raserei? – |
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An seinem Ohre tobt das Brausen |
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Des Festes ungehört vorbei. |
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Jetzt greift er, wie in Krampfeszwange, |
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Nach dem Pokal mit goldnem Wein, |
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Und zu der Krieger rauhem Sange |
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Stimmt wild der greise König ein; |
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Doch bald dem Aechzen gleicht die Stimme, |
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Von einer wunden Brust verstöhnt, |
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Und bald dem Laut von innerm Grimme |
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Deß, den ein stärkrer Feind verhöhnt. |
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Sieh, mit der Silberschüssel Bürde |
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Stellt sich ein römisch Knabenpaar, |
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In königlicher Diener Würde, |
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Gemessnen Schritts den Gästen dar, |
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Durchschreitet ernst den Raum des Saales, |
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Naht, wo der König sitzt, dem Tisch, |
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Und setzt vor ihn den Schmuck des Mahles, |
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Des blauen Meeres schönsten Fisch. |
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Der König sieht’s und starrend hangen |
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Die Augen an des Fisches Haupt, |
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Das, wie Medusens Haupt voll Schlangen, |
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Ihm Rede, Kraft, Bewegung raubt. |
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Der Schlag der Pulse scheint zu stocken, |
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Der Geist und jeder Sinn betäubt, |
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Und grausig sind die Silberlocken |
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Des Königes emporgesträubt. |
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Doch plötzlich springt er in die Höhe |
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In jähen Schreckens irrer Hast, |
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Als ob er wildem Feind entflöhe, |
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Von ihm beim greisen Haar gefaßt. |
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So strebt er vor, kann nicht von dannen, |
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Und nach dem Fische muß er schaun, |
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Und Fuß und Auge fühlt er bannen |
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Von Angst und ungeheurem Graun. |
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Und als mit rauhem, dumpfen Schalle, |
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Ein Jammerschrei der Brust entsteigt, |
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Da kehrt nach ihm aus weiter Halle |
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Sich jeder Blick und Alles schweigt. |
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Der Rachegöttin Hauch durchschauert |
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Mit eis’gem Wehen jeden Gast, |
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Der Göttin, die im Stillen lauert, |
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Und Könige wie Bettler faßt. |
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Und Er, mit vorgestreckten Händen, |
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Zurückgebogen Brust und Haupt, |
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Bemüht, das Antlitz abzuwenden, |
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Doch starr hinschauend, ächzt und schnaubt. |
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„Fort,“ kreischt er stöhnend, „fort die Leiche! |
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Fort, sie verhaucht des Grabes Duft! |
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Fort, grause Schreckgestalt, entweiche! |
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Fort Ungethüm, in deine Gruft!“ |
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„Bedenke, Sclav, ich kann dich würgen – |
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Der König ist’s, den du bedrohst! |
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Doch du vertraust auf einen Bürgen, |
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Der nie versagt, und bleibst getrost. |
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Der Tod ist’s, den ich dir gegeben, |
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Der schützt dich vor des Königs Wuth, |
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Der giebt in deine Hand mein Leben |
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Und bricht den nie gebeugten Muth.“ |
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„Ha, wie die todten Augen rollen! |
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Wie er die Zähne fletschend grins’t! |
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Ich fleh’! ich flehe! laß dein Grollen! |
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Was ist’s, das du damit gewinnst? |
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Dich tödten konnt’ ich, grauser Schatten, |
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Dich tödten wider Recht und Pflicht, |
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Das Leben aber dir erstatten, |
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Ach, das vermag der König nicht!“ |
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„Weh, Gott im Himmel, noch ein Zweiter, |
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Wie Jener schrecklich, steigt empor! |
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Mein Fuß gebannt, und immer weiter, |
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Und immer grauser schreitet’s vor, |
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Und kalt und gräßlich packt’s mich Armen, |
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Und dringt auf mich zermalmend ein. |
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O ew’ger Richter, hab’ Erbarmen, |
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Sieh’ meine Reu’ und meine Pein!“ |
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Und als er kaum dies Wort gesprochen, |
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Emporgewandt den Blick voll Qual, |
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Da scheint, was ihn gehemmt, gebrochen, |
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Und er entstürzt dem hohen Saal, |
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Eilt durch des nahen Tempels Pforten, |
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Und stürzt sich nieder am Altar |
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Und bringt dem Allversöhner dorten |
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Des Herzens brünstig Flehen dar. |
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„Herr, schau’ in meiner Seele Grunde, |
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Was ich gewollt, das sieh in ihr, |
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Und mit dem Leben nimm die Sünde, |
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Die ich im Wahn verübt, von mir. |
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Das reine Blut, das dir entflossen, |
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Es reinige mich von dem Blut, |
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Das, dein vergessend, ich vergossen |
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In meines Zornes Frevelmuth!“ |
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Da strömt aus ew’gen Lichtes Quelle |
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Ein Flammenstrahl, der ihn durchzückt, |
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Und ihn umgiebt mit goldner Helle |
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Und jedem Erdenleid entrückt. |
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Auf seinem Antlitz thront der Frieden |
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Und reine Paradieseslust, |
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Und lächelnd liegt er dort, verschieden, |
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Gekreuzt die Arm’ auf seiner Brust. |
Details zum Gedicht „Das Gastmahl des Theoderich“
Carl Streckfuß
18
144
832
1827
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Gastmahl des Theoderich“ wurde von Carl Streckfuss geschrieben, einem deutschen Dichter, der in der späten Aufklärung und dem beginnenden 19. Jahrhundert aktiv war. Diese Zeit ist bekannt für die Auseinandersetzung mit menschlichen Emotionen, der Natur und der eigenen Identität.
Das erste Gefühl, das beim Lesen des Gedichts aufkommt, ist das einer intensiven, fast gewalttätigen Szene. Die Sprache ist bildreich und lebendig und erzeugt ein Gefühl nachgelagerter Raserei und Tumults. Von wild tobenden Kriegern bis hin zu Schaumweinkelchen wird die Szene einer exzessiven Feier intensiv dargestellt.
Im Gedicht beschreibt das lyrische Ich ein Gastmahl des Theoderich, das eskaliert und zu einem Ausdruck von Wut, Gewalt und letztlich Tod führt. Theoderich ist hin- und hergerissen zwischen seiner Teilnahme an dieser barbarischen Feier und seinem eigenen Gewissen, welches ihn belastet aufgrund seines Hasses und seiner Grausamkeit. Sein innerer Konflikt und sein Wunsch, den König zu entgehen, werden deutlich, während er sich in einem Zustand der Qual und Verzweiflung befindet. Er sieht sich selbst als Mörder an und fühlt sich von den Geistern der Getöteten verfolgt.
Das Gedicht ist in Strophen zu je acht Versen unterteilt, was eine gewisse Regelmäßigkeit und Struktur schafft. Die Sprache ist stark bildhaft, mit lebendigen und eindringlichen Metaphern und Vergleichen, die ein lebhaftes und dynamisches Bild der Szene schaffen. Vielbeschriebene Motive sind Gewalt, Wut, Schuld und Tod, die wiederholt in verschiedenen Formen und Variationen auftreten. Eine dunkle, bedrückende Atmosphäre durchdringt das gesamte Gedicht und unterstreicht das tragische Schicksal Theoderichs.
In ihrer Gesamtheit ist das Gedicht ein lebhafter und intensiver Ausdruck der inneren Konflikte und des moralischen Zerfalls von Theoderich. Es bietet eine düstere Einsicht in die Psyche eines Mannes, der zwischen Willen zur Macht und Schuldgefühl hin- und hergerissen ist. Es ist ein eindringliches Porträt der zerstörerischen Kraft des Gewissens und ein Warnsignal an die Leser.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Gastmahl des Theoderich“ des Autors Carl Streckfuß. Streckfuß wurde im Jahr 1778 in Gera geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1827 zurück. Der Erscheinungsort ist Halle. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 832 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 144 Versen mit insgesamt 18 Strophen. Die Gedichte „Das Geständniß“, „Das Leben, ein Räthsel“ und „Das Riesenkind“ sind weitere Werke des Autors Carl Streckfuß. Zum Autor des Gedichtes „Das Gastmahl des Theoderich“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 50 Gedichte vor.
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- Das Leben, ein Räthsel
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Zum Autor Carl Streckfuß sind auf abi-pur.de 50 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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