Eine Frühlingsnacht von Theodor Storm

Im Zimmer drinnen ist's so schwül;
Der Kranke liegt auf dem heißen Pfühl.
 
Im Fieber hat er die Nacht verbracht;
Sein Herz ist müde, sein Auge verwacht.
 
Er lauscht auf der Stunden rinnenden Sand;
Er hält die Uhr in der weißen Hand.
 
Er zählt die Schläge, die sie pickt,
Er forschet, wie der Weiser rückt;
 
Es fragt ihn, ob er noch leb' vielleicht,
10 
Wenn der Weiser die schwarze Drei erreicht.
 
11 
Die Wartfrau sitzt geduldig dabei,
12 
Harrend, bis alles vorüber sei.
 
13 
Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod;
14 
Und draußen dämmert das Morgenrot.
 
15 
An die Fenster klettert der Frühlingstag.
16 
Mädchen und Vögel werden wach.
 
17 
Die Erde lacht in Liebesschein,
18 
Pfingstglocken läuten das Brautfest ein;
 
19 
Singende Bursche ziehn übers Feld
20 
Hinein in die blühende, klingende Welt.
 
21 
Und immer stiller wird es drin;
22 
Die Alte tritt zum Kranken hin.
 
23 
Der hat die Hände gefaltet dicht;
24 
Sie zieht ihm das Laken übers Gesicht.
 
25 
Dann geht sie fort. Stumm wird's und leer;
26 
Und drinnen wacht kein Auge mehr.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Eine Frühlingsnacht“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
164
Entstehungsjahr
1817 - 1888
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht mit dem Titel „Eine Frühlingsnacht“ wurde vom deutschen Dichter Theodor Storm verfasst, der im 19. Jahrhundert lebte (1817-1888). Storm wird häufig jedem Realismus zugeordnet, seine Werke sind gekennzeichnet durch ihre detailreiche Darstellung des Bürgertums und der ländlichen Gesellschaft seiner Zeit.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht eine Szene, in der ein kranker Mann, wahrscheinlich auf seinem Sterbebett liegt. Er verbringt eine schwüle und fiebrige Nacht, hört den Sand in der Stundenuhr rinnen und beobachtet den Zeiger der Uhr. Eine Wartfrau sitzt geduldig bei ihm, bis er stirbt - der Tod drückt bereits auf sein Herz. Draußen sinkt das Morgenrot, der Frühlingstag klettert an die Fenster, die Welt erwacht, während er stirbt. Nach seinem Tod verlässt die Alte den Raum, es herrscht Stille und Leere.

Die Intention des lyrischen Ichs ist es, den Kontrast zwischen dem Erwachen des Lebens im Frühling und dem Sterben des Kranken zu thematisieren. Der Kranke scheint dieses neue Leben, das vor seinem Fenster stattfindet, nicht mehr erleben zu können.

Das Gedicht besteht aus dreizehn Strophen, jede mit zwei Versen, in einer einfachen und klaren Sprache. Trotz seiner dunklen Thematik hat das Gedicht einen ruhigen, fast gleichgültigen Ton, der durch die Verwendung des Präsens und die wiederholten Referenzen auf den fortschreitenden Tod des Kranken verstärkt wird. Trotzdem gibt es einen starken Kontrast zwischen der dunklen, drückenden Atmosphäre im Krankenzimmer und der hellen, lebendigen Welt draußen.

Die Form des Gedichts trägt zur allgemeinen Stimmung bei. Die kurzen Strophen und Verse spiegeln die kurze Zeit wider, die dem Kranken noch bleibt, während die regelmäßige Form und das durchgehende Endreim-Schema die Unvermeidlichkeit des Todes darstellen. Insgesamt vermittelt „Eine Frühlingsnacht“ eine bittere Ironie, indem es die Freude und das Erwachen des Frühlings mit dem Tod eines Menschen kontrastiert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Eine Frühlingsnacht“ des Autors Theodor Storm. 1817 wurde Storm in Husum geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1833 und 1888. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Storm handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 13 Strophen und umfasst dabei 164 Worte. Weitere Werke des Dichters Theodor Storm sind „Oktoberlied“, „Von Katzen“ und „Weihnachtslied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Eine Frühlingsnacht“ weitere 131 Gedichte vor.

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