Gräber in Schleswig von Theodor Storm

Nicht Kranz noch Kreuz; das Unkraut wuchert tief;
Denn die der Tod bei Idstedt einst entboten,
Hier schlafen sie, und deutsche Ehre schlief
Hier dreizehn Jahre lang bei diesen Toten.
 
Und dreizehn Jahre litten jung und alt,
Was leben blieb, des kleinen Feindes Tücken,
Und konnten nichts als, stumm die Faust geballt,
Den Schrei des Zorns in ihrer Brust ersticken.
 
Die Schmach ist aus; der ehrne Würfel fällt!
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Jetzt oder nie! Erfüllet sind die Zeiten,
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Des Dänenkönigs Totenglocke gellt;
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Mir klinget es wie Osterglockenläuten!
 
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Die Erde dröhnt; von Deutschland weht es her,
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Mir ist, ich hör ein Lied im Winde klingen,
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Es kommt heran schon wie ein brausend Meer,
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Um endlich alle Schande zu verschlingen!
 
17 
Törichter Traum! - Es klingt kein deutsches Lied,
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Kein Vorwärts schallt von deutschen Bataillonen;
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Wohl dröhnt der Grund, wohl naht es Glied an Glied;
20 
Doch sind's die Reiter dänischer Schwadronen.
 
21 
Sie kommen nicht. Das Londoner Papier,
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Es wiegt zu schwer, sie wagen's nicht zu heben.
23 
Die Stunde drängt. So helft, ihr Toten hier!
24 
Ich rufe euch und hoffe nichts vom Leben.
 
25 
Wacht auf, ihr Reiter! Schüttelt ab den Sand,
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Besteigt noch einmal die gestürzten Renner!
27 
Blast, blast, ihr Jäger! Für das Vaterland
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Noch einen Strauß! Wir brauchen Männer, Männer!
 
29 
Tambour, hervor aus deinem schwarzen Schrein!
30 
Noch einmal gilt's, das Trommelfell zu schlagen;
31 
Soll euer Grab in deutscher Erde sein,
32 
So müßt ihr noch ein zweites Leben wagen!
 
33 
Ich ruf umsonst! ihr ruht auf ewig aus;
34 
Ihr wurdet eine duldsame Gemeinde.
35 
Ich aber schrei es in die Welt hinaus:
36 
Die deutschen Gräber sind ein Spott der Feinde!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Gräber in Schleswig“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
261
Entstehungsjahr
1817 - 1888
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gräber in Schleswig“ stammt von Theodor Storm, einem deutschen Schriftsteller der Epoche des Realismus. Storm wurde 1817 geboren und starb 1888, dementsprechend kann das Gedicht in das 19. Jahrhundert eingeordnet werden.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht von Krieg und Tod geprägt zu sein, gefüllt mit dunklen und traurigen Bildern. Es versprüht eine Melancholie und Traurigkeit und enthält eine Fülle von historischen Anspielungen, die auf den ersten und zweiten schleswigschen Krieg zwischen Dänemark und Deutschland hinweisen.

Thematisch beschäftigt sich das lyrische Ich mit einer Gedenkstätte für gefallene Soldaten, den „Gräbern in Schleswig“. Diese Soldaten sind in den schleswigschen Kriegen gestorben und ihre Gräber werden als vernachlässigt dargestellt, überwachsen von Unkraut, ohne Kreuz oder Kranz. Das lyrische Ich beklagt die Schmach und Ohnmacht, die die Deutschen erfahren haben und drückt seine Hoffnung auf Rettung und Revanche aus, fordert die Toten auf, wieder aufzustehen und den Kampf fortzusetzen. Schließlich aber endet das Gedicht in Resignation: Die Toten werden nicht auferstehen, die Schande bleibt.

Formal besteht das Gedicht aus neun vierzeiligen Strophen mit einem einfachen Reimschema (ABCB). Die Sprache ist zum einem stark mit dunklen und traurigen Bildern gespickt, die Tod, Ohnmacht und Unterdrückung evozieren. Doch gibt es auch Passagen, in denen Hoffnung und Kampfeswillen durchscheinen, wie etwa die Aufforderungen an die toten Soldaten, sich zu erheben und den Kampf wieder aufzunehmen, oder die euphorischen Beschreibungen von Osterglockenläuten und brausendem Meer. Zugleich ist die Diktion geprägt durch militärische Termini und dramatische Direktansprachen, die den Pathos des Textes unterstreichen.

Zusammenfassend beschäftigt sich das Gedicht mit der Reflexion von Krieg und Tod und zeichnet dabei ein düsteres Bild von Unterdrückung und Verlust. Das lyrische Ich verarbeitet dabei seine eigene Ohnmacht und Trauer und nutzt die Toten der schleswigschen Kriege symbolisch, um Gefühle der Schmach, aber auch der Hoffnung auf Revanche zu repräsentieren.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Gräber in Schleswig“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Theodor Storm. Der Autor Theodor Storm wurde 1817 in Husum geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1833 und 1888. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Storm handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 261 Worte. Theodor Storm ist auch der Autor für Gedichte wie „Bettlerliebe“, „Die Stadt“ und „Juli“. Zum Autor des Gedichtes „Gräber in Schleswig“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 131 Gedichte vor.

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