In Bulemanns Haus von Theodor Storm
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Es klippt auf den Gassen im Mondenschein; |
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Das ist die zierliche Kleine, |
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Die geht auf ihren Pantöffelein |
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Behend und mutterseelenallein |
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Durch die Gassen im Mondenscheine. |
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Sie geht in ein alt verfallenes Haus; |
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Im Flur ist die Tafel gedecket, |
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Da tanzt vor dem Monde die Maus mit der Maus, |
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Da setzt sich das Kind mit den Mäusen zu Schmaus, |
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Die Tellerlein werden gelecket. |
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Und leer sind die Schüsseln; die Mäuslein im Nu |
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Verrascheln in Mauer und Holze; |
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Nun läßt es dem Mägdlein auch länger nicht Ruh, |
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Sie schüttelt ihr Kleidchen, sie schnürt sich die |
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Schuh, |
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Dann tritt sie einher mit Stolze. |
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Es leuchtet ein Spiegel aus goldnem Gestell, |
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Da schaut sie hinein mit Lachen; |
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Gleich schaut auch heraus ein Mägdelein hell, |
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Das ist ihr einziger Spielgesell; |
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Nun wolln sie sich lustig machen. |
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Sie nickt voll Huld, ihr gehört ja das Reich; |
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Da neigt sich das Spiegelkindlein, |
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Da neigt sich das Kind vor dem Spiegel zugleich, |
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Da neigen sich beide gar anmutreich, |
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Da lächeln die rosigen Mündlein. |
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Und wie sie lächeln, so hebt sich der Fuß, |
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Es rauschen die seidenen Röcklein, |
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Die Händchen werfen sich Kuß um Kuß, |
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Das Kind mit dem Kinde nun tanzen muß, |
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Es tanzen im Nacken die Löcklein. |
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Der Mond scheint voller und voller herein, |
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Auf dem Estrich gaukeln die Flimmer: |
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Im Takte schweben die Mägdelein, |
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Bald tauchen sie tief in die Schatten hinein, |
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Bald stehn sie in bläulichem Schimmer. |
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Nun sinken die Glieder, nun halten sie an |
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Und atmen aus Herzensgrunde; |
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Sie nahen sich schüchtern und beugen sich dann |
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Und knien voreinander und rühren sich an |
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Mit dem zarten unschuldigen Munde. |
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Doch müde werden die beiden allein |
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Von all der heimlichen Wonne; |
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Sehnsüchtig flüstert das Mägdelein: |
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»Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenschein, |
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Ach, käme doch endlich die Sonne!« |
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Sie klettert hinunter ein Trepplein schief |
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Und schleicht hinab in den Garten. |
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Die Sonne schlief, und die Grille schlief. |
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»Hier will ich sitzen im Grase tief, |
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Und der Sonne will ich warten.« |
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Doch als nun morgens um Busch und Gestein |
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Verhuschet das Dämmergemunkel, |
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Da werden dem Kinde die Äugelein klein; |
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Sie tanzte zu lange bei Mondenschein, |
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Nun schläft sie bei Sonnengefunkel. |
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Nun liegt sie zwischen den Blumen dicht |
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Auf grünem, blitzendem Rasen; |
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Und es schauen ihr in das süße Gesicht |
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Die Nachtigall und das Sonnenlicht |
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Und die kleinen neugierigen Hasen. |
Details zum Gedicht „In Bulemanns Haus“
Theodor Storm
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1817 - 1888
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „In Bulemanns Haus“ wurde von Theodor Storm verfasst, einem deutschen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der besonders als Lyriker und Autor von Novellen bekannt ist. Die genaue Datierung des Gedichts ist nicht angegeben, es ist aber in die Zeit des poetischen Realismus im 19. Jahrhundert einzuordnen.
Das Gedicht gibt einen auf den ersten Blick rätselhaft und märchenhaft wirkenden Einblick in das nächtliche Treiben einer kleinen Figur in einem alten, verfallenen Haus. Es erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, das allein durch die Gassen im Mondlicht geht und in einem alten Haus eine geheimnisvolle Welt betritt. Sie speist mit Mäusen, erfreut sich an ihrem Spiegelbild und tanzt schließlich mit diesem in einem Mondlicht-beschienenen Raum. Erschöpft von ihren nächtlichen Abenteuern wartet sie auf die Sonne, schläft jedoch ein, bevor sie aufgeht.
Was das lyrische Ich aussagen möchte, ist mehrdeutig. Auf der einen Seite scheint das Gedicht ein Loblied auf die Unschuld und Phantasie der Kindheit zu sein, auf der anderen Seite könnte es auch als Kommentar zur Vergänglichkeit und Veränderung gesehen werden.
Das Gedicht hat eine sehr rhythmische Form, die sich über die gesamten 11 Strophen erstreckt, was das Gedicht sehr harmonisch und gesanglich macht. Die beschreibende, auch bildliche Sprache des Autors trägt zur einer märchenhaften Atmosphäre bei. Deutlich wird das etwa in der Erwähnung der Mäuse, die mit dem Mädchen speisen, oder in den leuchtenden Beschreibungen des tanzenden Mädchens im Spiegel.
Das Gedicht zeigt auch eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Tag und Nacht, Mond und Sonne. Der poetische Wechsel zwischen Licht und Schatten, zwischen Hell und Dunkel, spiegelt auch das Auf und Ab im Leben des Mädchens und die Wechselhaftigkeit der jugendlichen Gefühlswelt dar. In der letzten Strophe ruht das Mädchen friedlich im Sonnenlicht, umgeben von der Natur - ein Bild, das Ruhe und Frieden ausstrahlt und das Gedicht harmonisch abschließt.
Weitere Informationen
Theodor Storm ist der Autor des Gedichtes „In Bulemanns Haus“. 1817 wurde Storm in Husum geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1833 und 1888. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Der Schriftsteller Storm ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 382 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 61 Versen. Weitere Werke des Dichters Theodor Storm sind „Loose“, „Oktoberlied“ und „Von Katzen“. Zum Autor des Gedichtes „In Bulemanns Haus“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 131 Gedichte vor.
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