Die Herrgottskinder von Theodor Storm

Von oben sieht der Herr darein;
Ihr dürft indes der Ruhe pflegen:
Er gibt der Arbeit das Gedeihn
Und träuft herab den Himmelssegen.
Und wenn dann in Blüte die Saaten stehn,
So läßt er die Lüftlein darüber gehn,
Auf daß sich die Halme zusammenbeugen
Und frisch aus der Blüte das Korn erzeugen,
Und hält am Himmel hoch die Sonne,
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Daß alles reife in ihrer Wonne.
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Gottvater hat auch seinen Teil daran;
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Das alles in ihre Scheuern zu laden!
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Gott Vater hat auch seinen Teil daran;
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Den will er vergaben nach seiner Gnaden.
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Da ruft er die jüngsten Kinder sein;
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Die nährt er selbst aus seiner Hand,
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Die Rehlein, die Häslein, die Würmlein klein
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Und alles Getier in Luft und Land;
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Das flattert herbei und kreucht und springt,
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Ist fröhlich all zu Gottes Ehr
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Und all genügsam, was er bringt.
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Des freut sich der Herrgott mächtig sehr,
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Er breitet weit die Arme aus
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Und spricht in Liebe überaus:
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»All, was da lebet, soll sich freun,
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Seid alle von den Kindern mein;
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Und will euch drum doch nicht vergessen,
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Daß ihr nichts könnt als springen und fressen,
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Hat jedes seinen eignen Ton!
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Ihr sollt euch tummeln frisch im Grünen;
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Doch mündig ist der Mensch, mein Sohn;
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Drum mag er selbst sein Brot verdienen!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.1 KB)

Details zum Gedicht „Die Herrgottskinder“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
211
Entstehungsjahr
1817 - 1888
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Herrgottskinder“ stammt von Theodor Storm, einem bedeutenden Vertreter des deutschen Realismus, der im 19. Jahrhundert lebte. Das Gedicht kann daher auch diesem Zeitalter zugeordnet werden.

Auf den ersten Eindruck ist das Gedicht sehr erhaben und gottzentriert. Es erweckt den Eindruck als ob Natur und Leben religiös begründet und geordnet werden.

Inhaltlich stellt das lyrische Ich Gott als die treibende und fürsorgliche Kraft dar, die alles überblickt, sich um das Wohl aller kümmert und den Himmelssegen spendet. Gott lässt das Korn wachsen und reifen und kümmert sich sowohl um die Menschen, als auch um die anderen Geschöpfe der Erde. Hier wird Gott als eine liebende und großzügige Elternfigur gezeigt, die alle ihre Kinder gleichermaßen liebt und für sie sorgt. Der Mensch jedoch, als mündiges Wesen, soll sich selbst um seine Nahrung kümmern und sein Brot verdienen.

Formal besteht das Gedicht aus 32 Versen und einer einleitenden Strophe. Der Reim folgt keinem klaren Muster, was dem Gedicht ein freieres und offenes Gefühl verleiht. Die Sprache ist eher einfach und direkt, was das Gedicht leicht zugänglich und verständlich macht.

Insbesondere die Schlussverse machen die Botschaft des Gedichts deutlich: Trotz der allumfassenden Liebe Gottes wird der Mensch als eigenständiges Wesen dargestellt, das Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen muss. Dabei ist es interessant zu sehen, wie Storm mit Hilfe der Metapher des Broterwerbs einerseits auf die sogenannte Arbeitsmoral des 19. Jahrhunderts anspielt und gleichzeitig einen Gedanken der Bibel aufgreift, nämlich dass der Mensch im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen soll. Das Gedicht enthält also sowohl eine tiefe spirituelle Aussage als auch eine gesellschaftliche Beobachtung bzw. Kritik.

Weitere Informationen

Theodor Storm ist der Autor des Gedichtes „Die Herrgottskinder“. Storm wurde im Jahr 1817 in Husum geboren. Zwischen den Jahren 1833 und 1888 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Storm ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 211 Worte. Die Gedichte „Abseits“, „Bettlerliebe“ und „Die Stadt“ sind weitere Werke des Autors Theodor Storm. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Herrgottskinder“ weitere 131 Gedichte vor.

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