Das Doktor-Knochensplitter-Spiel von Joachim Ringelnatz
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Dazu braucht man nicht viel. |
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Nur ein Gänse- oder Hühnerknöchelchen. |
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Du, Berta, bohrst ein Löchelchen |
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Ins Sofa und schiebst das Knöchelchen |
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Weit rein, doch immer dicht unter die Sofahaut, |
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Daß man’s von außen wie Knorpel anfassen kann, |
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Was wie Geschwulst ausschaut. |
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Das Sofa ist dann dein Mann. |
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Ich bin der Doktor Frank. |
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Du sagst: „Mein Mann ist so krank.“ |
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Ich fühle und sage mit ernster Miene: |
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„Er hat einen Splitter im Herzen sitzen,“ |
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Und nehme das Ölkännchen von eurer Nähmaschine, |
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Um erstmal Betäubung in das Geschwür einzuspritzen. |
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Nun kommt die Operation; das ist das Schwere. |
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Ich nehme ein Messer und eine Schere. |
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Du nimmst ein Handtuch und fürchtest dich, zuzusehn; |
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Darum drückst du die Augen zu. |
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Ich tu einen scharfen Schnitt, greife dann |
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— daß muß wie der Blitz geschehn — |
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Mit der Zange (das ist die Schere) im Nu |
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Den Knochen aus deinem Mann. |
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Weil, wenn ich ihn nicht beim ersten Male geschickt |
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Gleich rausbekomme, — ist die Operation mißglückt. |
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— — — — |
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Das nächste Mal bist du Doktor Frank, |
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Und mein Mann ist krank. |
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— — — — |
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Angst darfst du nicht haben. Denn meine und deine |
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Eltern können uns — — — Weißt du, was ich meine?!? |
Details zum Gedicht „Das Doktor-Knochensplitter-Spiel“
Joachim Ringelnatz
2
30
188
1924
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Doktor-Knochensplitter-Spiel“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Maler, der insbesondere für seine humoristische Lyrik bekannt ist. Er lebte von 1883 bis 1934, wodurch das Gedicht in die Epoche des frühen 20. Jahrhunderts, genauer gesagt in die Weimarer Republik, einzuordnen ist.
Auf den ersten Blick erweckt das Gedicht den Eindruck eines harmlosen und spielerischen Kinder-Reims. Es beschreibt ein Rollenspiel zwischen zwei Kindern, das „Doktor-Knochensplitter-Spiel“, bei dem abwechselnd das eine Kind den 'kranken Mann' bzw. das 'kranke Sofa' darstellt und das andere Kind den 'Doktor Frank'.
Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das spielerische Nachahmen einer Operation, bei der ein Knochen aus einer Geschwulst entfernt wird. Die Kinder verwenden dabei alltägliche Gegenstände wie ein Sofa, ein Knochensplitter, eine Schere, ein Messer und ein Ölkännchen von der Nähmaschine, um die Rollen und Abläufe einer echten Operation darzustellen. Ringelnatz spielt bewusst mit der kindlichen Unbekümmertheit und dem naiven Eifer, die Ernsthaftigkeit der Erwachsenenwelt spielerisch nachzuahmen, ohne die tatsächlichen Risiken und Folgen zu begreifen. Dies wird besonders deutlich in den Zeilen 29 und 30, wo die Kinder daran erinnert werden, dass ihre Eltern sie bestrafen könnten.
Formell besteht das Gedicht aus zwei Strophen mit insgesamt 30 Versen. Die Form ist frei, ohne festes Metrum oder Reimschema. Dies verstärkt den Eindruck einer spielerischen, spontanen Erzählung. Die Sprache des Gedichts ist alltagstauglich und einfach gehalten, was die kindliche Perspektive unterstreicht.
Zusammengefasst kann man sagen, dass Ringelnatz in „Das Doktor-Knochensplitter-Spiel“ das kindliche Rollenspiel als Metapher für die Unschuld und Arglosigkeit der Kindheit nutzen. Er stellt dabei die Naivität und das mangelnde Verständnis für die konkreten Gefahren und Konsequenzen der nachgeahmten Erwachsenenwelt auf spielerische Weise dar. Durch die Verwendung alltäglicher Gegenstände und Begriffe schafft er eine humorvolle, dennoch nachdenklich stimmende Darstellung des Erwachsenwerdens und der damit verbundenen Konfrontation mit der Realität.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Doktor-Knochensplitter-Spiel“ des Autors Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1924 zurück. Potsdam ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 188 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abermals in Zwickau“, „Abgesehen von der Profitlüge“ und „Abglanz“. Zum Autor des Gedichtes „Das Doktor-Knochensplitter-Spiel“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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