Lied einer schlesischen Weberin von Louise Franziska Aston
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Wenn's in den Bergen rastet, |
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Der Mühlbach stärker rauscht, |
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Der Mond in stummer Klage |
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Durch's stille Strohdach lauscht; |
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Wenn trüb die Lampe flackert |
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Im Winkel auf dem Schrein: |
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Dann fallen meine Hände |
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Müd in den Schooß hinein. |
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So hab' ich oft gesessen |
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Bis in die tiefe Nacht, |
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Geträumt mit offnen Augen, |
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Weiß nicht, was ich gedacht; |
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Doch immer heißer fielen |
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Die Thränen auf die Händ' |
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Gedacht mag ich wohl haben: |
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Hat's Elend gar kein End? |
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Gestorben ist mein Vater, |
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Vor Kurzem war's ein Jahr |
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Wie sanft und selig schlief er |
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Auf seiner Todtenbahr'! |
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Der Liebste nahm die Büchse, |
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Zu helfen in der Noth; |
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Nicht wieder ist er kommen, |
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Der Förster schoß ihn todt. |
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Es sagen oft die Leute: |
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»Du bist so jung und schön, |
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Und doch so bleich und traurig |
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Sollst du in Schmerz vergehn?« |
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»Nicht bleich und auch nicht traurig!« |
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Wie spricht sich das geschwind |
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Wo an dem weiten Himmel |
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Kein Sternlein mehr ich find'! |
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Der Fabrikant ist kommen, |
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Sagt mir: »mein Herzenskind, |
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Wohl weiß ich, wie die Deinen |
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In Noth und Kummer sind; |
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Drum willst Du bei mir ruhen |
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Der Nächte drei und vier, |
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Sieh' dieses blanke Goldstück! |
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Sogleich gehört es Dir!« |
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Ich wußt' nicht, was ich hörte |
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Sei Himmel du gerecht |
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Und lasse mir mein Elend, |
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Nur mache mich nicht schlecht! |
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O lasse mich nicht sinken! |
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Fast halt' ich's nicht mehr aus, |
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Seh' ich die kranke Mutter |
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Und's Schwesterlein zu Haus'! |
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Jetzt ruh'n so still sie alle, |
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Verloschen ist das Licht, |
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Nur in der Brust das Wehe, |
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Die Thränen sind es nicht. |
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Kannst du, o Gott, nicht helfen, |
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So lass' uns lieber gehn, |
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Wo drunten tief im Thale |
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Die Trauerbirken steh'n! |
Details zum Gedicht „Lied einer schlesischen Weberin“
Louise Franziska Aston
7
56
274
1814 - 1871
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht, auf das sich diese Anfrage bezieht, ist „Lied einer schlesischen Weberin“ von Louise Franziska Aston. Diese Autorin lebte von 1814 bis 1871, was zeitlich der Epoche des Biedermeiers und der beginnenden Industrialisierung in Deutschland entspricht. Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht melancholisch, geprägt von einer traurigen Grundstimmung.
Im Inhalt thematisiert das lyrische Ich die harten und leidvollen Lebensbedingungen einer schlesischen Weberin wahrscheinlich im 19. Jahrhundert, wobei die eigene Ausweglosigkeit und Verzweiflung zum Ausdruck kommt. Es schildert die abendlichen Müdigkeit nach der Arbeit, das Nachdenken und Träumen bis tief in die Nacht hinein, das häufig von Tränen begleitet wird. Es erzählt vom Tod des Vaters und dem Tod des Geliebten, der von einem Förster erschossen wurde. Die tastende Frage nach dem Sinn des eigenen Elends wird gestellt. Die Begegnung mit dem Fabrikanten zeigt die materielle Not auf, in der sich das lyrische Ich befindet, aber auch die moralische Integrität, die es trotz aller Not bewahrt. Schließlich mündet das Gedicht in einen verzweifelten Appell an Gott, bzw. in den Wunsch nach Erlösung durch den Tod.
Die Sprache des Gedichts ist klar und einfach, was die Gefühlswelt und die Lebensumstände der Hauptfigur unmittelbar zugänglich macht. Es bedient sich Bilder und Metaphern, die eine Atmosphäre der Melancholie und Traurigkeit evozieren, wie der stille Mond, der auf das Strohdach lauscht, die trübe flackernde Lampe, die stumme Klage, die Tränen, die heiß auf die Hände fallen, der Tod des Vaters und des Geliebten usw. Jede Strophe ist achtsilbig, was dem Leser eine rhythmische Reguliertheit vermittelt. Trotz der formalen Einheitlichkeit sind die emotionalen Schwankungen und Intensitäten der Hauptfigur gut spürbar.
Zusammenfassend ist „Lied einer schlesischen Weberin“ ein Ausdruck des individuellen Leidens und der gesellschaftlichen Zustände im 19. Jahrhundert, die durch die industrielle Revolution und die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten gekennzeichnet waren. Es zeigt die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit der Weberin auf, die unter diesen Bedingungen lebt, und macht dabei eine starke sozialkritische Aussage.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Lied einer schlesischen Weberin“ der Autorin Louise Franziska Aston. Geboren wurde Aston im Jahr 1814 in Gröningen. Zwischen den Jahren 1830 und 1871 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 274 Worte. Die Gedichte „Berlin am Abende des 12. November 1848“, „Barrikadenklänge“ und „An Ihn“ sind weitere Werke der Autorin Louise Franziska Aston. Zur Autorin des Gedichtes „Lied einer schlesischen Weberin“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 23 Gedichte vor.
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- Die wilde Rose
- Die Türkin
- In Potsdam
- Berlin am Abende des 12. November 1848
- Barrikadenklänge
- An Ihn
- Lebensmotto
- An George Sand
- Dithyrambe
- Ein heilges Fest
Zum Autor Louise Franziska Aston sind auf abi-pur.de 23 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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