Ich denke dein [I] von Friederike Brun

Ich denke dein, wenn über Roms Ruinen
Die Sonne sinkt!
Vom Abendroth durch Eichengrün beschienen
Die heil'ge Tiber blinkt!
 
Dein denk' ich, wenn der grauen Vorwelt Schauer
Der Hall' entschwebt!
Des Eppichs Netz an hoher Riesenmauer
Im Mondstrahl silbern bebt!
 
Wenn in der Pinie ernstem Säulentempel
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Mein Aug' erquickt,
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Betrachtung, Tiefsinn, eueren hehren Stempel
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Rings um sich her erblickt!
 
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Dort an des Grabes ew'ger Piramide
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Warst du mir nah!
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Mir nah als ich Orest der Eumenide
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Geweiht, voll Wehmuth sah!
 
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Electra's hoher Sinn, und Weibesmilde
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Mich tief durchdrang!
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Des Griechen Geist mir aus dem Marmorbilde
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Wie Saitenton erklang!
 
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Im Lorbeerwald, wo die Zipresse dunkelt,
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Im Mirthenhain
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Wenn über mir des Himmels Bogen funkelt
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Denkt meine Seele Dein!
 
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Ach dein, wenn über Tod, und Grab, und Erde,
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Mein Geist sich schwingt!
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Des Schöpfers zweyter Allmachtsruf es werde
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Auch meine Gruft durchdringt.
 
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Wenn Nemesis, was strenge du gefodert
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Ist abgebüßt
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Und Psyche, der nicht mehr die Fackel lodert,
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Vergelterin dich grüßt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Ich denke dein [I]“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
159
Entstehungsjahr
1765 - 1835
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Ich denke dein“ stammt von der Dichterin Friederike Brun, die von 1765 bis 1835 lebte. Damit ist es zeitlich der Epoche der Romantik zuzuordnen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht sehr emotional und sehnsuchtsvoll, es ist geprägt von Naturbildern und antiken Anspielungen. Das lyrische Ich, welches offensichtlich auf Reisen ist, lässt in seinen Gedanken immer wieder eine geliebte Person aufleben und versichert ihr seine tiefe Verbundenheit.

Unterschiedliche Schauplätze und Bilder dienen dabei als Auslöser für diese Gedanken. Ob es nun eine untergehende Sonne, die Ruinen Roms, der Anblick der heiligen Tiber, die griechische Mythologie, ein Lorbeerwald oder der Sternenhimmel ist - immer führen sie das lyrische Ich zu der geliebten Person zurück. Die Dichterin spielt dabei auf klassische Elemente der europäischen Kulturgeschichte an und positioniert ihre Gefühle innerhalb dieser bekannten, größeren Kontexte.

Die formale Gestaltung des Gedichtes besteht aus acht gleich konstruierten Strophen zu je vier Versen, wobei das Metrum und das Reimschema nicht klar definiert sind. Die Sprache ist bestimmt von lyrischen und schwärmerischen Ausdrücken, die den emotionalen Zustand des lyrischen Ichs zum Ausdruck bringen.

Die Dichterin benutzt Vokabular, das aus der Mythologie entlehnt ist, um ihre Gefühle noch stärker hervorzuheben und eine Ebene höher zu stellen, was die Intensität der beschriebenen Beziehung unterstreicht. So werden z.B. die Figuren Orest, Eumenide, Electra, Nemesis und Psyche erwähnt. Diese Anspielungen deuten auf ein gebildetes, kulturell interessiertes lyrisches Ich und reflektieren die Bewunderung und die Sehnsucht die es für die geliebte Person empfindet.

Insgesamt handelt es sich bei „Ich denke dein“ um ein Liebesgedicht, das die starke emotionale Bindung zwischen dem lyrischen Ich und dem Objekt seiner Zuneigung unterstreicht, und dies vor einem breiten kulturellen Hintergrund. Es geht dabei nicht um ein körperliches Begehren, sondern um eine intellektuelle und emotionale Sehnsucht, die nicht an Raum und Zeit gebunden ist.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Ich denke dein [I]“ ist Friederike Brun. 1765 wurde Brun in Gräfentonna geboren. In der Zeit von 1781 bis 1835 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 159 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Friederike Brun sind „An meine Freundinn Charlotte, Gräfin von Dernath, geborne Bernstorf“, „An meinen Brun“ und „An meinen Mann auf der Reise“. Zur Autorin des Gedichtes „Ich denke dein [I]“ haben wir auf abi-pur.de weitere 58 Gedichte veröffentlicht.

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