Das Bergmannselend von Heinrich Kämpchen

Wie Wehruf schallt es,
Wie Klaggestöhne,
Mit dumpfem Röcheln
Tief aus den Grüften
Im Bauch der Erde. –
 
Wer klagt, wer ruft da
In solchen Lauten,
Verzweiflungsbangen,
Entsetzensvollen,
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Aus Nacht und Oede –
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O sagt, wer ruft da? –
 
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Voll Schaudern hör’ ich,
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Der Lichtgewohnte,
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Der Oualentrückte,
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Am Sonnentage
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Die düstern Laute. –
 
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Ich höre Wimmern,
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Ich höre Aechzen,
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Vermischt mit Flüchen,
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Mit wilden, grausen –
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Und Hohngelächter,
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Wie Spuk der Hölle,
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Wie der Verdammten
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Schmerzhaft Gewinsel,
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Voll Wut und Ohnmacht.
 
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Dazwischen dumpfes
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Gepoch und Hämmern,
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Und Brechen, Fallen,
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Und Dröhnen, Knallen,
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Als ob Dämone
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Am Werk geschäftig. –
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Dann wieder Fluchen
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Und Qualgestöhne,
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Und gelles Lachen. –
 
35 
Wer ist der Rufer?
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Ich frag’ es wieder,
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Im Erdengrunde,
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Im dunkeln, düstern,
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Wer ist der Rufer? –
 
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O gebt mir Kunde
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Von dem was unten,
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So fern vom Tage,
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Mit seinem Grollen
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Das Herz mir ängstigt. –
 
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Und endlich, endlich –
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Aus Erdentiefen,
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Aus Nacht und Nebeln,
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Durch Felsenwände
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Kommt mir die Antwort:
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„Das Bergmannselend!“ –
 
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Aus seinen Grüften,
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Aus seinen Klüften
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Zu dir am Tage,
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Du Lichtgewohnter,
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Du Kettenfreier,
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Schickt seine Klagen
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Der arme Bergmann. –
 
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Im Dämmerdunkel,
59 
In Oualm und Brodem –
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(Du hörst sein Röcheln,
61 
Du hörst sein Wimmern
62 
Und seine Flüche,
63 
Tief, tief im Grunde) –
64 
Schafft der Helote. –
 
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Ihn hält das Elend,
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Ihn hält der Hunger,
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Der Kampf um’s Dasein,
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Der grimme, wilde,
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Gebannt im Schachte. –
 
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Dort in der Enge,
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In Dunst und Oualme,
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Entblößten Leibes,
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Nicht menschenwürdig,
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Gräbt er die Kohlen. –
 
75 
An seinem Schweiße,
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An seinem Odem
77 
(Ihm stirbt die Lunge
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Vom Kohlenstaube)
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Wärmt sich der Tagmensch
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In Schloß und Hütte. –
 
81 
So gräbt und schaufelt,
82 
So wühlt und scharret
83 
Sich Maulwurfsgänge
84 
Im Bauch der Erde
85 
Der arme Bergmann. –
 
86 
Er vegetieret –
87 
Ein Elendsdasein
88 
An Leib und Seele
89 
Im Frönerjoche –
90 
Er vegetieret. –
 
91 
Doch nicht für immer! –
92 
Auch ihm, dem Maulwurf,
93 
Dem Erddurchwühler,
94 
Dem Lichtentwöhnten,
95 
Glüh’n schon der Zukunft
96 
Rotgold’ne Lichter. –
 
97 
Sein Jammern, Klagen,
98 
Sein Fluchen, Grollen,
99 
Wird bald verhallen. –
100 
Und aus den Grüften,
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Und aus den Klüften
102 
Steigt er zu Tage,
103 
Zur Sonnenhelle,
104 
Ein Mensch zu Menschen,
105 
Mit Lieb und Hoffen. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (31.8 KB)

Details zum Gedicht „Das Bergmannselend“

Anzahl Strophen
17
Anzahl Verse
105
Anzahl Wörter
333
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Bergmannselend“ wurde von Heinrich Kämpchen verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Unternehmer des 19. Jahrhunderts. Kämpchen lebte von 1847 bis 1912, was das Gedicht zeitlich in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert einordnet, eine Zeit der rasanten industriellen Entwicklung in Deutschland.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr düster und beklagt die harte Arbeit und das schwere Leben der Bergleute. Das lyrische Ich hört verschiedene Laute aus der Tiefe der Erde: Wehrufe, Klaggestöhne, Flüche – Ausdrücke von Elend und Leid. Es stellt Fragen nach dem Rufer und erhält schließlich die Antwort: Es ist das „Bergmannselend“. Der Bergmann, der unter qualvollen Umständen arbeiten muss, ruft aus der Dunkelheit hervor.

Die grundsätzliche Aussage des lyrischen Ich könnte sein, dass es das Leid der Bergarbeiter als Ungerechtigkeit empfindet und auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den Bergwerken aufmerksam machen möchte. Im Verlauf des Gedichts wird auch Kritik an der Ausbeutung der Arbeiter durch die Gesellschaft geäußert: Durch die harte Arbeit des Bergmanns können andere Menschen in Wärme und Komfort leben.

Auf der formalen Ebene ist zu bemerken, dass sich die Anzahl der Verse von Strophe zu Strophe ändert. Die Sprache des Gedichts ist recht einfach gehalten, trotz der Verwendung einiger bildhafter und emotionaler Ausdrücke wie „Spuk der Hölle“. Diese bildhaften Ausdrücke dienen dazu, die Schrecken der Arbeit unter Tage zu verdeutlichen und die Sympathie des Lesers für die Bergarbeiter zu wecken.

Gegen Ende des Gedichts zeigt das lyrische Ich jedoch eine gewisse Hoffnung auf eine bessere Zukunft für den Bergmann. Es spricht von zukünftigen „rotgold'nen Lichtern“, die für den Bergmann glühen. Dies könnte als Hoffnung auf bessere Arbeitsbedingungen oder sozialen Fortschritt interpretiert werden.

Insgesamt ist „Das Bergmannselend“ von Heinrich Kämpchen ein sozialkritischer Text, der die schrecklichen Bedingungen der Bergarbeiter im 19. Jahrhundert beklagt und dabei den Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit und Verbesserung der Lebensumstände dieser Arbeiter ausdrückt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das Bergmannselend“ ist Heinrich Kämpchen. Der Autor Heinrich Kämpchen wurde 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1909 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Bochum. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 333 Wörter. Es baut sich aus 17 Strophen auf und besteht aus 105 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Kämpchen sind „Am Grabe der Mutter“, „Am Kochbrunnen in Wiesbaden“ und „Am Marienbrönnlein“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Bergmannselend“ weitere 165 Gedichte vor.

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