Im Mai von Heinrich Heine

Die Freunde, die ich geküßt und geliebt,
Die haben das Schlimmste an mir verübt.
Mein Herze bricht; doch droben die Sonne,
Lachend begrüßt sie den Monat der Wonne.
 
Es blüht der Lenz. Im grünen Wald
Der lustige Vogelgesang erschallt,
Und Mädchen und Blumen, sie lächeln jungfräulich
O schöne Welt, du bist abscheulich!
 
Da lob ich mir den Orkus fast;
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Dort kränkt uns nirgends ein schnöder Kontrast;
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Für leidende Herzen ist es viel besser
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Dort unten am stygischen Nachtgewässer.
 
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Sein melancholisches Geräusch,
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Der Stymphaliden ödes Gekreisch,
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Der Furien Singsang, so schrill und grell,
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Dazwischen des Zerberus Gebell
 
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Das paßt verdrießlich zu Unglück und Qual
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Im Schattenreich, dem traurigen Tal,
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In Proserpinens verdammten Domänen,
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Ist alles im Einklang mit unseren Tränen.
 
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Hier oben aber, wie grausamlich
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Sonne und Rosen stechen sie mich!
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Mich höhnt der Himmel, der bläulich und mailich
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O schöne Welt, du bist abscheulich!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Im Mai“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
144
Entstehungsjahr
1797 - 1856
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Im Mai“ wurde von Heinrich Heine geschrieben, einem der bekanntesten Dichter Deutschlands, der von 1797 bis 1856 lebte. Es lässt sich in den Zusammenhang der deutschen Romantik einordnen, einer Epoche, die sich durch intensive Emotionen und die Auseinandersetzung mit Schönheit und Schrecken in Natur und Mensch auszeichnet.

Beim ersten Lesen fällt die Kontrastierung von Schönem und Schrecklichem auf. Hierbei nimmt das lyrische Ich eine ablehnende, bittere Haltung ein.

Inhaltlich geht es um enttäuschte Liebe und die dadurch ausgelöste Depression. Das lyrische Ich fühlt sich von seinen Freunden im Stich gelassen und sein Herz ist zerbrochen (Verse 1-2). Es empfindet die Schönheit der Welt, die Freude des Frühlings und der Natur, als grausam und abscheulich im Gegensatz zu seinem inneren Leiden (Verse 4, 8 und 24). Es zieht sogar die Vorstellung des Schattenreichs oder der Unterwelt vor, da dort zumindest die düsteren Gefühle im Einklang mit der Umgebung wären (Verse 9-20).

Das Gedicht ist in sechs vierzeilige Strophen unterteilt. Der Rhythmus ist klar und einfach, die Sprache verständlich, aber gleichzeitig bildhaft und voller Anspielungen auf klassische Mythologie, wie zum Beispiel der Orkus (Unterwelt), der stygische Fluss (Fluss der Unterwelt), die Stymphaliden (monströse Vögel), die Furien (Rachegeister), Zerberus (Höllenhund) und Proserpina (Göttin der Unterwelt). Die wiederholte Aussage „O schöne Welt, du bist abscheulich!“ unterstreicht den tiefen Konflikt, in dem sich das lyrische Ich befindet: Die Welt ist schön, aber für jemanden, der leidet, kann diese Schönheit Abscheu hervorrufen.

Die Bitterkeit und der Schmerz, die in diesem Gedicht zum Ausdruck kommen, liefern einen Einblick in Heines kritische Haltung gegenüber der idealisierten Romantik, die häufig einen überhöhten und unrealistischen Blick auf die Welt darstellt. In „Im Mai“ wirkt die Natur nicht tröstend oder erhaben, sondern grausam und feindselig. Diese ungewöhnliche Interpretation des romantischen Themas der Natur zeigt einmal mehr Heines Originalität und seinen Sinn für gesellschaftskritischen Humor.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Im Mai“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Der Autor Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren. In der Zeit von 1813 bis 1856 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 144 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Heine sind „Almansor“, „Als ich, auf der Reise, zufällig“ und „Alte Rose“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Im Mai“ weitere 535 Gedichte vor.

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