Babylonische Sorgen von Heinrich Heine

Mich ruft der Tod - Ich wollt', o Süße,
Daß ich dich in einem Wald verließe,
In einem jener Tannenforsten,
Wo Wölfe heulen, Geier horsten
Und schrecklich grunzt die wilde Sau,
Des blonden Ebers Ehefrau.
 
Mich ruft der Tod - Es wär noch besser,
Müßt ich auf hohem Seegewässer
Verlassen dich, mein Weib, mein Kind,
10 
Wenngleich der tolle Nordpolwind
11 
Dort peitscht die Wellen, und aus den Tiefen
12 
Die Ungetüme, die dort schliefen,
13 
Haifisch' und Krokodile, kommen
14 
Mit offnem Rachen emporgeschwommen
15 
Glaub mir, mein Kind, mein Weib, Mathilde,
16 
Nicht so gefährlich ist das wilde,
17 
Erzürnte Meer und der trotzige Wald
18 
Als unser jetziger Aufenthalt!
19 
Wie schrecklich auch der Wolf und der Geier,
20 
Haifische und sonstige Meerungeheuer:
21 
Viel grimmere, schlimmere Bestien enthält
22 
Paris, die leuchtende Hauptstadt der Welt,
23 
Das singende, springende, schöne Paris,
24 
Die Hölle der Engel, der Teufel Paradies
25 
Daß ich dich hier verlassen soll,
26 
Das macht mich verrückt, das macht mich toll!
 
27 
Mit spöttischem Sumsen mein Bett umschwirrn
28 
Die schwarzen Fliegen; auf Nas' und Stirn
29 
Setzen sie sich - fatales Gelichter!
30 
Etwelche haben wie Menschengesichter,
31 
Auch Elefantenrüssel daran,
32 
Wie Gott Ganesa in Hindostan.
33 
In meinem Hirne rumort es und knackt,
34 
Ich glaube, da wird ein Koffer gepackt,
35 
Und mein Verstand reist ab - o wehe!
36 
Noch früher, als ich selber gehe.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Babylonische Sorgen“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
211
Entstehungsjahr
1797 - 1856
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das lyrische Werk „Babylonische Sorgen“ wurde von Heinrich Heine verfasst, einem bedeutenden deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts, der von 1797 bis 1856 lebte.

Das Gedicht hinterlässt einen ersten Eindruck der Sehnsucht und Verzweiflung. Das lyrische Ich äußert eine sorgenvolle Heimweh, die Furcht vor einem bevorstehenden Tod und der Gedanke an das Verlassen seiner geliebten Person weckt unangenehme Gedanken und Emotionen.

In einfachen Worten gesagt, erzählt das lyrische Ich von seiner heranrückenden Sterblichkeit und der Sorge, seine Lieben in einer feindlichen Umgebung zurückzulassen. Zuerst wird ein Wald volle Tieren skizziert, dann ein stürmisches Meer und am Ende kommt er auf die Stadt Paris zu sprechen. Das lyrische Ich scheint vor dem Tod Angst zu haben, aber eine noch größere Furcht beschleicht ihn beim Gedanken, seine Lieben, insbesondere in Paris, zurückzulassen. Das Gedicht endet mit dem schrecklichen Bild, dass sein Verstand schon abreist, bevor er selber geht, was seine Verzweiflung und geistige Zerrissenheit eindrücklich verdeutlicht.

Die Form des Gedichts weist eine einheitliche Strophenanordnung auf, beginnend mit einer sechsversigen Strophe, gefolgt von einer vierundzwanzig Versen umfassenden Strophe und schließt mit einer zehnversigen Strophe ab. Die Anzahl der Verse in den Strophen ist unregelmäßig, ein Muster lässt sich hier nicht erkennen.

Die Sprache von Heine ist bildreich und beinhaltet eine Fülle von bildhaften Vergleichen und Metaphern, die es ihm ermöglichen, starke Emotionen und Eindrücke zu erzeugen, Vor allem die Darstellung von Paris als „Die Hölle der Engel, der Teufel Paradies“ bringt seine tief sitzenden Befürchtungen und seine ablehnende Haltung gegenüber der Stadt zum Ausdruck.

Dieses Gedicht reflektiert Heine's persönliche Erfahrungen und seinen inneren Konflikt während seiner Zeit im Exil, fernab von seiner Heimat. Die Darstellung von Paris als Ort der Verderbnis ist dabei besonders repräsentativ für seine gesellschaftskritische Haltung.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Babylonische Sorgen“ ist Heinrich Heine. 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1813 bis 1856 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 211 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Der Dichter Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Abenddämmerung“, „Ach, die Augen sind es wieder“ und „Ach, ich sehne mich nach Thränen“. Zum Autor des Gedichtes „Babylonische Sorgen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Heinrich Heine

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Heinrich Heine und seinem Gedicht „Babylonische Sorgen“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Heinrich Heine (Infos zum Autor)

Zum Autor Heinrich Heine sind auf abi-pur.de 535 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.