Die Launen der Verliebten von Heinrich Heine

Eine wahre Geschichte, nach älteren Dokumenten
wiedererzählt und aufs neue in schöne deutsche
Reime gebracht
 
Der Käfer saß auf dem Zaun, betrübt;
Er hat sich in eine Fliege verliebt.
 
»Du bist, o Fliege meiner Seele,
Die Gattin, die ich auserwähle.
 
Heirate mich und sei mir hold!
Ich hab einen Bauch von eitel Gold.
 
10 
Mein Rücken ist eine wahre Pracht;
11 
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.«
 
12 
»O daß ich eine Närrin wär!
13 
Ein'n Käfer nehm ich nimmermehr.
 
14 
Mich lockt nicht Gold, Rubin und Smaragd;
15 
Ich weiß, daß Reichtum nicht glücklich macht.
 
16 
Nach Idealen schwärmt mein Sinn,
17 
Weil ich eine stolze Fliege bin.«
 
18 
Der Käfer flog fort mit großem Grämen;
19 
Die Fliege ging, ein Bad zu nehmen.
 
20 
»Wo ist denn meine Magd, die Biene,
21 
Daß sie beim Waschen mich bediene;
 
22 
Daß sie mir streichle die feine Haut,
23 
Denn ich bin eines Käfers Braut.
 
24 
Wahrhaftig, ich mach eine große Partie;
25 
Viel schöneren Käfer gab es nie.
 
26 
Sein Rücken ist eine wahre Pracht;
27 
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.
 
28 
Sein Bauch ist gülden, hat noble Züge;
29 
Vor Neid wird bersten gar manche Schmeißfliege.
 
30 
Spute dich, Bienchen, und frisier mich,
31 
Und schnüre die Taille und parfümier mich;
 
32 
Reib mich mit Rosenessenzen, und gieße
33 
Lavendelöl auf meine Füße,
 
34 
Damit ich gar nicht stinken tu,
35 
Wenn ich in des Bräut'gams Armen ruh.
 
36 
Schon flirren heran die blauen Libellen,
37 
Und huldigen mir als Ehrenmamsellen.
 
38 
Sie winden mir in den Jungfernkranz
39 
Die weiße Blüte der Pomeranz'.
 
40 
Viel Musikanten sind eingeladen,
41 
Auch Sängerinnen, vornehme Zikaden.
 
42 
Rohrdommel und Horniß, Bremse und Hummel,
43 
Sie sollen trompeten und schlagen die Trummel;
 
44 
Sie sollen aufspielen zum Hochzeitfest
45 
Schon kommen die buntbeflügelten Gäst',
 
46 
Schon kommt die Familie, geputzt und munter;
47 
Gemeine Insekten sind viele darunter.
 
48 
Heuschrecken und Wespen, Muhmen und Basen,
49 
Sie kommen heran - die Trompeten blasen.
 
50 
Der Pastor Maulwurf im schwarzen Ornat,
51 
Da kommt er gleichfalls - es ist schon spat.
 
52 
Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam
53 
Wo bleibt mein liebster Bräutigam?«
 
54 
Bim-bam, bim-bam, klingt Glockengeläute,
55 
Der Bräutigam aber flog fort ins Weite.
 
56 
Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam
57 
»Wo bleibt mein liebster Bräutigam?«
 
58 
Der Bräutigam hat unterdessen
59 
Auf einem fernen Misthaufen gesessen.
 
60 
Dort blieb er sitzen sieben Jahr',
61 
Bis daß die Braut verfaulet war.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Launen der Verliebten“

Anzahl Strophen
30
Anzahl Verse
61
Anzahl Wörter
364
Entstehungsjahr
1797 - 1856
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Launen der Verliebten“ wurde von Heinrich Heine geschrieben, der in der Ära des 19. Jahrhunderts wirksam war, genauer gesagt zur Zeit des Biedermeiers und der Epoche des Vormärz.

Erster Eindruck:

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen humorvollen Eindruck. Die Akteure sind nicht menschliche Liebende, sondern Insekten, speziell ein Käfer und eine Fliege, was eine ironische und komische Note in das Liebesgedicht bringt.

Inhalt und Aussagen des lyrischen Ich:

Im Kern beinhaltet das Gedicht die Liebesgeschichte zwischen einem Käfer und einer Fliege. Der Käfer verliebt sich in die Fliege und macht ihr einen Heiratsantrag, umworben durch die Pracht seines Äußeren. Die Fliege weist ihn zunächst ab, ändert aber ihre Meinung und freut sich auf die bevorstehende Hochzeit, für die sie sich sorgfältig vorbereitet. Am Ende steht jedoch die Enttäuschung, als der Käfer verschwindet und die Fliege vergeblich auf ihn wartet.

Das ironische Spiel um die Launen der Liebe zielt auf die Wechselhaftigkeit und Unbeständigkeit von Gefühlen und die oft damit verbundene Enttäuschung ab.

Form und Sprache:

Das Gedicht besteht aus 30 Strophen mit jeweils zwei Versen. Es hat eine sehr leichte, fließende Form mit einer klaren, unkomplizierten Sprache und einfachen Reimen. Der Autor verwendet eine Art erzählende Dichtung, fügt jedoch durch die Wahl der Tierfiguren und die humorvollen, zum Teil sarkastischen Beschreibungen eine märchenhafte und satirische Ebene hinzu, die die Tragik und Dramatik der Liebesbeziehung mildert.

Die förmliche Sprache, die genaue Beschreibung der Hochzeitsvorbereitungen und die Darstellung des Äußeren der Insekten, insbesondere des Käfers, sind stark übertrieben und komisch. Sie spiegeln die Oberflächlichkeit und das Augenmerk auf Äußerlichkeiten in der Liebe wider, gleichzeitig aber auch die Bereitschaft der Fliege, ihre eigenen Ansprüche und Prinzipien der Liebe wegen aufzugeben.

Im Großen und Ganzen entlarvt Heine in „Die Launen der Verliebten“ die Gefahr des Sich-Verliebens, die Oberflächlichkeit und Widersprüchlichkeit des Begehrens und stellt die Frage nach dem Preis der Liebe.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Launen der Verliebten“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Der Autor Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren. Zwischen den Jahren 1813 und 1856 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 364 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 61 Versen mit insgesamt 30 Strophen. Die Gedichte „Alte Rose“, „Altes Lied“ und „Am Golfe von Biskaya“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Heine. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Launen der Verliebten“ weitere 535 Gedichte vor.

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