Jung-Katerverein für Poesiemusik von Heinrich Heine
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Der philharmonische Katerverein |
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War auf dem Dache versammelt |
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Heut nacht - doch nicht aus Sinnenbrunst; |
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Da ward nicht gebuhlt und gerammelt. |
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Es paßt kein Sommernachthochzeitstraum, |
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Es passen nicht Lieder der Minne |
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Zur Winterjahrzeit, zu Frost und Schnee; |
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Gefroren war jede Rinne. |
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Auch hat überhaupt ein neuer Geist |
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Der Katzenschaf sich bemeistert; |
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Die Jugend zumal, der Jung - Kater ist |
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Für höheren Ernst begeistert. |
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Die alte frivole Generation |
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Verröchelt; ein neues Bestreben, |
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Ein Katzenfrühling der Poesie |
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Regt sich in Kunst und Leben. |
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Der philharmonische Katerverein, |
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Er kehrt zur primitiven |
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Kunstlosen Tonkunst jetzt zurück, |
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Zum schnauzenwüchsig Naiven. |
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Er will die Poesiemusik, |
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Rouladen ohne Triller, |
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Die Instrumental - und Vokalpoesie, |
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Die keine Musik ist, will er. |
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Er will die Herrschaft des Genies, |
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Das freilich manchmal stümpert, |
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Doch in der Kunst oft unbewußt |
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Die höchste Staffel erklimpert. |
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Er huldigt dem Genie, das sich |
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Nicht von der Natur entfernt hat, |
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Sich nicht mit Gelehrsamkeit brüsten will |
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Und wirklich auch nichts gelernt hat. |
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Dies ist das Programm des Katervereins, |
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Und voll von diesem Streben |
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Hat er sein erstes Winterkonzert |
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Heut nacht auf dem Dache gegeben. |
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Doch schrecklich war die Exekution |
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Der großen Idee, der pompösen |
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Häng dich, mein teurer Berlioz, |
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Daß du nicht dabeigewesen! |
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Das war ein Charivari, als ob |
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Einen Kuhschwanzhopsaschleifer |
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Plötzlich aufspielten, branntweinberauscht, |
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Drei Dutzend Dudelsackpfeifer. |
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Das war ein Tauhu-Wauhu, als ob |
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In der Arche Noäh anfingen, |
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Sämtliche Tiere unisono |
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Die Sündflut zu besingen. |
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Oh, welch ein Krächzen und Heulen und Knurr'n, |
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Welch ein Miau'n und Gegröle! |
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Die alten Schornsteine stimmten ein |
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Und schnauften Kirchenchoräle. |
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Zumeist vernehmbar war eine Stimm', |
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Die kreischend zugleich und matte |
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Wie einst die Stimme der Sontag war, |
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Als sie keine Stimme mehr hatte. |
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Das tolle Konzert! Ich glaube, es ward |
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Ein großes Tedeum gesungen, |
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Zur Feier des Siegs, den über Vernunft |
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Der frechste Wahnsinn errungen. |
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Vielleicht auch ward vom Katerverein |
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Die große Oper probieret, |
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Die Ungarns größer Pianist |
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Für Charenton komponieret. |
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Es hat bei Tagesanbruch erst |
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Der Sabbat ein Ende genommen; |
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Eine schwangere Köchin ist dadurch |
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Zu früh in die Wochen gekommen. |
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Die sinnebetörte Wöchnerin |
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Hat ganz das Gedächtnis verloren; |
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Sie weiß nicht mehr, wer der Vater ist |
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Des Kindes, das sie geboren. |
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»War es der Peter? War es der Paul? |
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Sag, Liese, wer ist der Vater?« |
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Die Liese lächelt verklärt und spricht: |
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»Oh, Liszt! du himmlischer Kater!« |
Details zum Gedicht „Jung-Katerverein für Poesiemusik“
Heinrich Heine
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1797 - 1856
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Jung-Katerverein für Poesiemusik“ wurde von dem deutschen Dichter Heinrich Heine verfasst, einem herausragenden Vertreter des literarischen Realismus im 19. Jahrhundert.
Bei einer ersten Betrachtung fällt auf, dass dieses Gedicht Heines unverwechselbaren Sinn für Humor und Gesellschaftskritik aufweist. Die poetische Form und die ironische Darstellung von Katern, die versuchen, musikalische und literarische Kunst auf dem Dach zu erzeugen, ist typisch für Heines Arbeit. Die humorvolle Darstellung der Misserfolge und Fehlgriffe dieser Kater bei ihren künstlerischen Anstrengungen dient dazu, eine Kritik an der künstlerischen und sozialen Szene der damaligen Zeit zu formulieren.
Das Gedicht handelt von einer Gruppe von Katern, die versuchen, einen anspruchsvollen künstlerischen Standard zu erreichen, indem sie ihre eigene Version der „Poesiemusik“ auf einem Dach erzeugen. Ihre Umsetzung schlägt jedoch völlig fehl, was zu einem lächerlichen und chaotischen Ergebnis führt, welches von Heine amüsiert und satirisch beschrieben wird. Ihre Misserfolge werden als Metapher für die Künstler der Zeit verwendet, die Heine als prätentiös und unfähig darstellt.
Das Gedicht besteht aus gleichmäßigen vierzeiligen Strophen und verwendet einfache, verständliche Sprache, obwohl Heine geschickt Wortspiele und humorvolle Vergleiche verwendet, um seine satirischen Punkte zu verdeutlichen. Die Katern gelingt es letztlich nicht, die „Poesiemusik“ zu erzeugen, auf die sie abzielen. Diese Kritik an den aktuellen künstlerischen Trends der damaligen Zeit, verkörpert in der missglückten „Kunst“ der Kater, ist ein kritischer Kommentar Heines.
Zudem wird in der letzten Strophe das Thema der Unzuverlässigkeit und Flüchtigkeit des Gedächtnisses eingeführt, was als zusätzliche Satire auf die Vergesslichkeit und Konfusion der Künstler und der Gesellschaft im Allgemeinen interpretiert werden könnte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Heines „Jung-Katerverein für Poesiemusik“ eine humorvolle und satirische Darstellung der künstlerischen Szene seiner Zeit ist, wobei er die Fehlschläge und Prätentiosität der Künstler durch die Darstellung von Katern, die erfolglos versuchen, Kunst zu erzeugen, ironisch kommentiert. Dabei macht er geschickt Gebrauch von Metaphern, Wortspielen und einfacher Sprache, um seine Kritik zugänglich und unterhaltsam zu gestalten.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Jung-Katerverein für Poesiemusik“ ist Heinrich Heine. 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1813 und 1856. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 379 Wörter. Es baut sich aus 19 Strophen auf und besteht aus 76 Versen. Der Dichter Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“, „Almansor“ und „Als ich, auf der Reise, zufällig“. Zum Autor des Gedichtes „Jung-Katerverein für Poesiemusik“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.
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