Orpheisch von Heinrich Heine
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Es gab den Dolch in deine Hand |
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Ein böser Dämon in der bösen Stunde |
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Ich weiß nicht, wie der Dämon hieß |
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Ich weiß nur, daß vergiftet war die Wunde. |
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In stillen Nächten denk ich oft, |
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Du solltest mal dem Schattenreich entsteigen |
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Und lösen alle Rätsel mir |
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Und mich von deiner Unschuld überzeugen. |
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Ich harre dein - o komme bald! |
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Und kommst du nicht, so steig ich selbst zur Hölle, |
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Daß ich alldort vor Satanas |
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Und allen Teufeln dich zur Rede stelle. |
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Ich komme, und wie Orpheus einst |
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Trotz ich der Unterwelt mit ihren Schrecken |
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Ich finde dich, und wolltest du |
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Im tiefsten Höllenpfuhle dich verstecken. |
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Hinunter jetzt ins Land der Qual, |
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Wo Händeringen nur und Zähneklappen |
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Ich reiße dir die Larve ab, |
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Der angeprahlten Großmut Purpurlappen |
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Jetzt weiß ich, was ich wissen wollt, |
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Und gern, mein Mörder, will ich dir verzeihen; |
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Doch hindern kann ich nicht, daß jetzt |
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Schmachvoll die Teufel dir ins Antlitz speien. |
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Ganz entsetzlich ungesund |
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Ist die Erde, und zugrund', |
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Ja, zugrund' muß alles gehn, |
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Was hienieden groß und schön. |
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Sind es alten Wahns Phantasmen, |
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Die dem Boden als Miasmen |
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Stumm entsteigen und die Lüfte |
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Schwängern mit dem argen Gifte? |
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Holde Frauenblumen, welche |
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Kaum erschlossen ihre Kelche |
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Den geliebten Sonnenküssen, |
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Hat der Tod schon fortgerissen. |
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Helden, trabend hoch zu Roß, |
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Trifft unsichtbar das Geschoß; |
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Und die Kröten sich beeifern, |
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Ihren Lorbeer zu begeifern. |
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Was noch gestern stolz gelodert, |
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Das ist heute schon vermodert; |
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Seine Leier mit Verdruß |
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Bricht entzwei der Genius. |
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O wie klug sind doch die Sterne! |
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Halten sich in sichrer Ferne |
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Von dem bösen Erdenrund, |
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Das so tödlich ungesund. |
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Kluge Sterne wollen nicht |
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Leben, Ruhe, Himmelslicht |
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Hier einbüßen, hier auf Erden, |
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Und mit uns elendig werden |
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Wollen nicht mit uns versinken |
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In den Twieten, welche stinken, |
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In dem Mist, wo Würmer kriechen, |
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Welche auch nicht lieblich riechen |
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Wollen immer ferne bleiben |
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Vom fatalen Erdentreiben, |
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Von dem Klüngel und Geruddel, |
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Von dem Erdenkuddelmuddel. |
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Mitleidsvoll aus ihrer Höhe |
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Schaun sie oft auf unser Wehe; |
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Eine goldne Träne fällt |
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Dann herab auf diese Welt. |
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Die Söhne des Glückes beneid ich nicht |
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Ob ihrem Leben, beneiden |
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Will ich sie nur ob ihrem Tod, |
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Dem schmerzlos raschen Verscheiden. |
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Im Prachtgewand, das Haupt bekränzt, |
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Und Lachen auf der Lippe, |
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Sitzen sie froh beim Lebensbankett |
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Da trifft sie jählings die Hippe. |
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Im Festkleid und mit Rosen geschmückt, |
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Die noch wie lebend blühten, |
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Gelangen in das Schattenreich |
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Fortunas Favoriten. |
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Nie hatte Siechtum sie entstellt, |
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Sind Tote von guter Miene, |
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Und huldreich empfängt sie an ihrem Hof |
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Zarewna Proserpine. |
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Wie sehr muß ich beneiden ihr Los! |
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Schon sieben Jahre mit herben, |
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Qualvollen Gebresten wälz ich mich |
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Am Boden, und kann nicht sterben! |
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O Gott, verkürze meine Qual, |
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Damit man mich bald begrabe; |
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Du weißt ja, daß ich kein Talent |
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Zum Martyrtume habe. |
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Ob deiner Inkonsequenz, o Herr, |
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Erlaube, daß ich staune: |
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Du schufest den fröhlichsten Dichter, und raubst |
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Ihm jetzt seine gute Laune. |
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Der Schmerz verdampft den heitern Sinn |
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Und macht mich melancholisch; |
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Nimmt nicht der traurige Spaß ein End', |
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So werd ich am Ende katholisch. |
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Ich heule dir dann die Ohren voll, |
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Wie andre gute Christen |
99 |
O Miserere! Verloren geht |
100 |
Der beste der Humoristen! |
Details zum Gedicht „Orpheisch“
Heinrich Heine
25
100
521
1797 - 1856
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Orpheisch“ wurde von Heinrich Heine verfasst, einem der bedeutendsten deutschen Lyriker und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Heine's Schreibstil ist geprägt von einer Mischung aus Ironie und Melancholie, was sich auch in diesem Gesicht wiederspiegelt.
Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht dunkel und schwer, da es sich um Orpheus und die Unterwelt handelt. Bei näherer Betrachtung enthüllt es jedoch eine tiefere Botschaft und verwebt sowohl Heines persönliches Leid als auch sein Talent für sarkastischen Humor.
Im Gedicht durchlebt das lyrische Ich verschiedene Emotionen - Trauer, Wut, Verlassenheit und verzweifelte Hoffnung - als Reaktion auf einen Verrat. Im ersten Teil des Gedichtes spricht es offen über seine Verzweiflung und Sehnsucht, den Verräter zur Rede zu stellen, selbst wenn dies bedeutet, in die Hölle hinabzusteigen. Im weiteren Verlauf des Gedichtes nimmt die sprachliche Darstellung jedoch eine Wendung hin zu einer selbsteinnehmenden Ironie und Humor, die die Melancholie und das Leid reflektieren, das Heine in seinem Leben erfahren hat.
Das Gedicht folgt einem strikten Reimschema und besteht aus vierzeiligen Strophen, was auch zu einer rhythmischen Struktur führt. Heine verwendet lebendige und dramatische Bilder, um seine Botschaft zu vermitteln - zum Beispiel die Beschwörung von Dämonen, die Suche in der Unterwelt und die Konfrontation mit Teufeln. Diese kraftvollen Bilder tragen dazu bei, die emotionalen Höhen und Tiefen zu verstärken, die das lyrische Ich durchlebt.
In Bezug auf Sprache und Stil zeigt das Gedicht eine spannende Kombination aus Pathos und Sarkasmus, die typisch für Heine ist. Die ernsten und schwermütigen Passagen werden durch ironische und humorvolle Stellen aufgelockert, was dem Gedicht eine ganz eigene Dynamik verleiht. Es zeigt auch den unkonventionellen Geist des Autors, der selbst in den dunkelsten Momenten seinen scharfsinnigen Humor nicht verliert.
Zusammenfassend ist „Orpheisch“ ein beeindruckendes Gedicht, das Heines tiefe persönliche Empfindungen und seinen bissigen Humor auf einzigartige Weise verbindet. Es ist nicht nur ein Zeugnis seiner lyrischen Genialität, sondern auch ein Fenster in seine Seele und seine Auseinandersetzung mit dem Leben und den persönlichen Herausforderungen, die er erlebte.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Orpheisch“ des Autors Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Im Zeitraum zwischen 1813 und 1856 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 521 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 100 Versen mit insgesamt 25 Strophen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Heine sind „Almansor“, „Als ich, auf der Reise, zufällig“ und „Alte Rose“. Zum Autor des Gedichtes „Orpheisch“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.
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