Die Tauben II von Georg Heym

Doch nachts im Schatten ihrer hohen Träume
Wie unter großer Eichen kühlem Dach
Klingt um sie laut das Dunkel hundertfach
Und Sterne fahren singend durch die Räume
 
Vom Hauche Gottes durch das All getrieben
Mit goldnen Federn in die Nacht gespreizt,
Kometen, die mit trübem Schrei zerstieben,
Der traurig ihre schlaffen Ohren beizt.
 
Sie horchen auf des Waldes Ruhe unten
10 
Wie in den Wurzeln blau der Schlummer schwillt
11 
Und auf der Erde schweres Atmen drunten,
12 
Das langsam ihre großen Höhlen füllt.
 
13 
Und wieder klingt's in ihren Frieden leise,
14 
Wenn das verborgne Silber wachsend schwärt,
15 
Und das Geräusch der Sonne auf der Reise,
16 
Die unten über weite Meere fährt.
 
17 
Auf einmal hören sie die Stürme wehen
18 
Und laute Glocke läuten durch die Nacht.
19 
Sie möchten gern dem Schall entgegengehen,
20 
Erhört, entfesselt, in das Licht gebracht.
 
21 
Doch plötzlich bricht es ab. Und nur ein Zittern
22 
Ist rund im Raum, das sie im Ohre nagt,
23 
Wie tief in seinem Sarge im Verwittern
24 
Ein Toter weint und seine Trauer klagt.
 
25 
Ein Lächeln kraut sie dann, daß sie noch leben,
26 
Des Schlummers Sabber hängt sich an ihr Kinn
27 
Und jemand kommt mit Fingern leicht, die schweben
28 
Auf ihrem Rettichkopf wie Fliegen hin.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Die Tauben II“

Autor
Georg Heym
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
197
Entstehungsjahr
1887 - 1912
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Tauben II“ wurde von Georg Heym verfasst, der ein bedeutender Vertreter des literarischen Expressionismus in Deutschland war. Heym lebte von 1887 bis 1912, somit liegt die zeitliche Einordnung des Gedichts in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert.

Das Gedicht erweckt sofort den Eindruck einer dunklen, fast bedrückenden Atmosphäre. Mit Worten wie „Schatten“, „Dunkel“ und „Nacht“ wird ein tiefgreifendes Gefühl der Ungewissheit und Melancholie vermittelt.

Aus dem Gedicht geht hervor, dass die Tauben ruhen und schlafen, während sie jedoch von verschiedensten Geräuschen und Eindrücken umgeben werden, wie etwa dem Klang der Dunkelheit, dem Rauschen der Sterne, dem Atmen der Erde oder dem Wehen der Stürme. Das lyrische Ich scheint die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit der Tauben und vielleicht generell alles Lebendigen zu thematisieren, indem es sie inmitten dieser gewaltigen und unkontrollierbaren Kräfte der Natur platziert.

In Bezug auf die Form des Gedichts besteht es aus sieben Strophen mit jeweils vier Versen. Die Worte sind ausdrucksstark und bildlich, und die vielen Alliterationen und Konsonanzen sorgen für eine rhythmische Struktur. Die Sprache ist eher komplex und erfordert ein gewisses Maß an Interpretationsgeschick, was typisch für die expressionistische Dichtung ist, die bekannt dafür ist, Sprache in neuen, oft überraschenden Formen zu verwenden.

Schließlich scheint das Gedicht die Unbedeutendkeit und Vergänglichkeit der Tauben - und vielleicht des Lebens im Allgemeinen - im Angesicht der überwältigenden und ewigen Kräfte des Universums zu thematisieren. Es vermittelt ein Gefühl der Hilflosigkeit und Vergeblichkeit, lässt aber auch auf eine Art von Schönheit schließen, die sich in der Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit findet.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Tauben II“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Georg Heym. Geboren wurde Heym im Jahr 1887 in Hirschberg. Zwischen den Jahren 1903 und 1912 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Bei Heym handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 197 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Georg Heym sind „Der Blinde“, „Der Fliegende Holländer“ und „Der Gott der Stadt“. Zum Autor des Gedichtes „Die Tauben II“ haben wir auf abi-pur.de weitere 79 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Georg Heym

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Georg Heym und seinem Gedicht „Die Tauben II“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Georg Heym (Infos zum Autor)

Zum Autor Georg Heym sind auf abi-pur.de 79 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.