Dame vor dem Spiegel von Rainer Maria Rilke
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Wie in einem Schlaftrunk Spezerein, |
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löst sie leise in dem flüssigklaren |
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Spiegel ihr ermüdetes Gebaren; |
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und sie tut ihr Lächeln ganz hinein. |
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Und sie wartet, daß die Flüssigkeit |
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davon steigt; dann gießt sie ihre Haare |
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in den Spiegel und, die wunderbare |
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Schulter hebend aus dem Abendkleid, |
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trinkt sie still aus ihrem Bild. Sie trinkt, |
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was ein Liebender im Taumel tränke, |
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prüfend, voller Mißtraun; und sie winkt |
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erst der Zofe, wenn sie auf dem Grunde |
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ihres Spiegels Lichter findet, Schränke |
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und das Trübe einer späten Stunde. |
Details zum Gedicht „Dame vor dem Spiegel“
Rainer Maria Rilke
4
14
85
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Dame vor dem Spiegel“ wurde von Rainer Maria Rilke, einem der bedeutendsten Lyriker der literarischen Moderne, verfasst. Rilke wurde 1875 geboren und starb 1926, sodass sein Werk in die Zeit der Jahrhundertwende des 19. zur 20. Jahrhundert und der literarischen Moderne einzuordnen ist.
Beim ersten Eindruck fällt die ruhige, fast meditative Atmosphäre auf, in welche der Blick auf die Dame, die sich vor einem Spiegel betrachtet, eintaucht. Es wirkt wie ein intimer, fast schon heiliger Moment.
Inhaltlich betrachtet, handelt das Gedicht von einer Frau, die sich vor einem Spiegel betrachtet und offenbar auf ihre nächtliche Vorbereitung zum Ausgehen reflektiert. Es scheint, als ob sie müde von ihrem gesellschaftlichen Getue ist und ein betrübtes Bewusstsein darüber in ihrem Spiegelbild erkennt und die Last ihrer gesellschaftlichen Rolle miterlebt. Sie scheint außerdem abzuwarten, bis sie auf dem Grund ihres Spiegels ihr eigenes Licht findet, was symbolisch für einen Moment der Selbstreflexion stehen könnte.
Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen, die in ihrer Anzahl der Verse variieren. Allerdings reimen sich die Verse innerhalb jeder Strophe, was dem Gedicht einen rhythmischen, fast liedhaften Charakter verleiht. Die Sprache des Gedichts ist gehoben und verwendet bildhafte metaphernreiche Ausdrücke. Die Stimmung ist eher nachdenklich und reflektierend.
Zusammengefasst, das Gedicht „Dame vor dem Spiegel“ von Rilke zeigt einen intimen Moment einer Frau, die sich ihrer gesellschaftlichen Rolle und Erscheinung bewusst ist. Durch den Einsatz von bildhafter und metaphernreicher Sprache gelingt es Rilke, eine nachdenkliche und introspektive Stimmung zu erzeugen, die den Leser dazu einlädt, über die gesellschaftlichen Erwartungen und die Suche nach dem wahren Selbst nachzudenken.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Dame vor dem Spiegel“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Der Autor Rainer Maria Rilke wurde 1875 in Prag geboren. 1918 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 85 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 14 Versen. Der Dichter Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Abend“, „Abend in Skaane“ und „Absaloms Abfall“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Dame vor dem Spiegel“ weitere 338 Gedichte vor.
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