An Herkules von Johann Christian Friedrich Hölderlin

In der Kindheit Schlaf begraben
Lag ich, wie das Erz im Schacht;
Dank, mein Herkules! den Knaben
Hast zum Manne du gemacht,
Reif bin ich zum Königssitze
Und mir brechen stark und groß
Taten, wie Kronions Blitze,
Aus der Jugend Wolke los.
 
Wie der Adler seine Jungen,
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Wenn der Funk im Auge klimmt,
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Auf die kühnen Wanderungen
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In den frohen Aether nimmt,
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Nimmst du aus der Kinderwiege,
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Von der Mutter Tisch und Haus
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In die Flamme deiner Kriege,
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Hoher Halbgott, mich hinaus.
 
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Wähntest du, dein Kämpferwagen
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Rolle mir umsonst ins Ohr?
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Jede Last, die du getragen,
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Hub die Seele mir empor,
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Zwar der Schüler mußte zahlen;
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Schmerzlich brannten, stolzes Licht,
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Mir im Busen deine Strahlen,
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Aber sie verzehrten nicht.
 
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Wenn für deines Schicksals Wogen
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Hohe Götterkräfte dich,
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Kühner Schwimmer! auferzogen,
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Was erzog dem Siege mich?
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Was berief den Vaterlosen,
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Der in dunkler Halle saß,
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Zu dem Göttlichen und Großen,
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Daß er kühn an dir sich maß?
 
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Was ergriff und zog vom Schwarme
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Der Gespielen mich hervor?
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Was bewog des Bäumchens Arme
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Nach des Aethers Tag empor?
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Freundlich nahm des jungen Lebens
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Keines Gärtners Hand sich an,
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Aber kraft des eignen Strebens
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Blickt und wuchs ich himmelan.
 
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Sohn Kronions! an die Seite
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Tret ich nun errötend dir,
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Der Olymp ist deine Beute;
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Komm und teile sie mit mir!
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Sterblich bin ich zwar geboren,
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Dennoch hat Unsterblichkeit
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Meine Seele sich geschworen,
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Und sie hält, was sie gebeut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.9 KB)

Details zum Gedicht „An Herkules“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
235
Entstehungsjahr
1770 - 1843
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Johann Christian Friedrich Hölderlin, ein renommierter deutscher Dichter aus der Zeit der Romantik, geboren 1770, gestorben 1843. Somit lässt sich das Werk zeitlich in das 18. bis 19. Jahrhundert einordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts ist stark und mächtig, mit Verweisen auf gewaltige Kräfte und emblematische griechische Gottheiten. Es fordert zur Selbstreflexion und Selbstbestimmung auf und beinhaltet sowohl eine Hommage an die Jugend als auch an das Erwachsensein.

Zentraler Punkt des Gedichts ist eine Dankesrede des lyrischen Ichs an Herkules, den antiken Halbgott. Der Text stellt eine Transformation vom Kind zum Erwachsenen dar, wobei Herkules als inspirierende, motivierende Figur dargestellt wird. Das lyrische Ich fühlt sich durch seine Herausforderungen und Erlebnisse gestärkt und sieht sich bereit für den „Königssitz“, aufgeladen mit Großtaten. Es fühlt sich erwählt und hervorgehoben und betont die Kraft seines eigenen Strebens.

Die Form dieses Gedichts folgt einem strengen Muster: Jede der sechs Strophen besitzt acht Verse. In Bezug auf die Sprache verwendet Hölderlin eine sehr bildgewaltige, symbolträchtige und erhabene Wortwahl. Dabei bedient er sich zahlreicher Begriffe und Referenzen aus der griechischen Mythologie, insbesondere aus den Geschichten um Herkules.

Die Form und Sprache des Gedichts unterstützen die Aussage und verschaffen ihm seine mächtige, heroische Atmosphäre. Sie reflektieren das Selbstbewusstsein und die Willensstärke des lyrischen Ichs, das seine Identität und Stärke in der Begegnung mit den Herkules'schen Herausforderungen entdeckt hat.

Am Ende präsentiert sich das lyrische Ich in voller Stärke und Selbstsicherheit und fordert Herkules dazu auf, seine Triumph auf dem Olymp mit ihm zu teilen. Während sein Körper sterblich ist, hat sich seine Seele nach Unsterblichkeit gesehnt und hält an diesem Ziel fest. Die Fähigkeit zur Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung ist damit eine der zentralen Botschaften dieses Gedichts.

Weitere Informationen

Johann Christian Friedrich Hölderlin ist der Autor des Gedichtes „An Herkules“. Geboren wurde Hölderlin im Jahr 1770 in Lauffen am Neckar. Das Gedicht ist in der Zeit von 1786 bis 1843 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 235 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „An die Parzen“, „An die jungen Dichter“ und „An unsre Dichter“ sind weitere Werke des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin. Zum Autor des Gedichtes „An Herkules“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 181 Gedichte vor.

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