An einen Baum von Johann Christian Friedrich Hölderlin
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... und die ewigen Bahnen |
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Lächelnd über uns hin zögen die Herrscher der Welt, |
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Sonne und Mond und Sterne, und auch die Blitze der |
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Wolken |
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Spielten, des Augenblicks feurige Kinder, um uns, |
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Aber in unsrem Innern, ein Bild der Fürsten des |
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Himmels, |
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Wandelte neidlos der Gott unserer Liebe dahin, |
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Und er mischte den Duft, die reine, heilige Seele, |
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Die, von des Frühlinges silberner Stunde genährt, |
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Oft überströmte, hinaus ins glänzende Meer des |
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Tages, |
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Und in das Abendrot und in die Wogen der Nacht, |
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Ach! wir lebten so frei im innig unendlichen Leben, |
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Unbekümmert und still, selber ein seliger Traum, |
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Jetzt uns selber genug und jetzt ins Weite verfliegend, |
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Aber im Innersten doch immer lebendig und eins. |
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Glücklicher Baum! wie lange, wie lange könnt ich |
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noch singen |
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Und vergehen im Blick auf dein erbebendes Haupt, |
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Aber siehe! dort regt sichs, es wandeln in Schleiern |
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die Jungfraun |
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Und wer weiß es, vielleicht wäre mein Mädchen |
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dabei; |
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Laß mich, laß mich, ich muß - lebwohl! es reißt mich |
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ins Leben, |
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Daß ich im kindischen Gang folge der lieblichen |
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Spur, |
29 |
Aber du Guter, dich will, dich will ich nimmer |
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vergessen, |
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Ewig bist du und bleibst meiner Geliebtesten Bild. |
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Und käm einmal ein Tag, wo sie die meinige wäre, |
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Aber in unsrem Innern, ein Bild der Fürsten des |
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Himmels, |
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Wandelte neidlos der Gott unserer Liebe dahin, |
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Und er mischte den Duft, die reine, heilige Seele, |
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Die, von des Frühlinges silberner Stunde genährt, |
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Oft überströmte, hinaus ins glänzende Meer des |
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Tages, |
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Und in das Abendrot und in die Wogen der Nacht, |
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Ach! wir lebten so frei im innig unendlichen Leben, |
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Unbekümmert und still, selber ein seliger Traum, |
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Jetzt uns selber genug und jetzt ins Weite verfliegend, |
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Aber im Innersten doch immer lebendig und eins. |
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Glücklicher Baum! wie lange, wie lange könnt ich |
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noch singen |
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Und vergehen im Blick auf dein erbebendes Haupt, |
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Aber siehe! dort regt sichs, es wandeln in Schleiern |
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die Jungfraun |
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Und wer weiß es, vielleicht wäre mein Mädchen |
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dabei; |
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Laß mich, laß mich, ich muß - lebwohl! es reißt mich |
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ins Leben, |
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Daß ich im kindischen Gang folge der lieblichen |
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Spur, |
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Aber du Guter, dich will, dich will ich nimmer |
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vergessen, |
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Ewig bist du und bleibst meiner Geliebtesten Bild. |
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Und käm einmal ein Tag, wo sie die meinige wäre, |
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O! dann ruht ich mit ihr, unter dir, Freundlicher, aus |
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Und du zürnetest nicht, du gössest Schatten und Düfte |
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Und ein rauschendes Lied über die Glücklichen aus. |
Details zum Gedicht „An einen Baum“
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62
402
1770 - 1843
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An einen Baum“ stammt von Johann Christian Friedrich Hölderlin, einem deutschen Lyriker aus dem 18. Jahrhundert. Sein Schaffen kann dem sogenannten Jungen Deutschland und der Romantik zugeordnet werden.
Vom ersten Eindruck her wirkt das Gedicht als Hymne auf die Natur und die Liebe und zeigt das tiefe Empfinden des lyrischen Ichs für die Schönheit des Lebens.
Inhaltlich richtet sich das lyrische Ich mit sehr emotionalen und bewundernden Worten an einen Baum. Der Baum wird als lebendiges, majestätisches und ewiges Wesen dargestellt, das im Einklang mit der kosmischen Ordnung lebt - es wird als Symbol des Lebens und der Harmonie mit der Natur präsentiert. Während der Baum standhaft und ewig ist, ist das lyrische Ich, das sich als Mensch offenbart, flüchtig und vergänglich. Es fühlt sich jedoch von der ewigen Präsenz des Baumes und seiner Verkörperung des natürlichen und göttlichen Lebens angezogen.
Im Gedicht spielt die Liebe eine zentrale Rolle. Das lyrische Ich erwähnt eine geliebte Person, die offenbar in der Ferne ist. Es drückt die Hoffnung aus, dass der geliebten Person der Baum als ewiges Symbol seiner Liebe dienen möge, selbst wenn es selbst nicht mehr da ist. Auf diese Weise könnte der Baum als Medium oder Bühne verstanden werden, auf dem sich das Drama menschlicher Sehnsüchte, Leidenschaften und Ängste abspielt.
Sprachlich ist das Gedicht eher komplex und erfordert eine intensive Interpretation. Es ist in freiem Vers verfasst, ohne einen bestimmten Reim oder ein bestimmtes Metrum, was seine fließende, freie und emotionale Qualität verstärkt. Seine Sprache ist reich an Metaphern und Bildern, die die Symbole von Sonne, Mond, Sternen, Blitz und Wolken verwenden, um eine visionäre und universelle Dimension der natürlichen und göttlichen Welt darzustellen. Hölderlin bedient sich bildhafter und metaphernreicher Sprache sowie Ausdrucksstärke und Tiefe.
Insgesamt ist das Gedicht „An einen Baum“ von Hölderlin ein kraftvolles und emotionales Werk, das die intensive Verbindung zwischen Mensch, Natur und Liebe darstellt. Es ist ein Loblied auf die ewige Präsenz und Schönheit der Natur sowie auf die Leidenschaft und Sehnsucht der menschlichen Liebe.
Weitere Informationen
Das Gedicht „An einen Baum“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christian Friedrich Hölderlin. Im Jahr 1770 wurde Hölderlin in Lauffen am Neckar geboren. In der Zeit von 1786 bis 1843 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 62 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 402 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Christian Friedrich Hölderlin sind „An Ihren Genius“, „An die Deutschen“ und „An die Parzen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An einen Baum“ weitere 181 Gedichte vor.
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- An die Deutschen
- An die Parzen
- An die jungen Dichter
- An unsre Dichter
- Das Schicksal
- Das Unverzeihliche
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Zum Autor Johann Christian Friedrich Hölderlin sind auf abi-pur.de 181 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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