An Herr Schmidten von Friedrich Gottlieb Klopstock

Der du mir gleich bist, den die Unsterblichen
Höhern Gesängen neben mir auferziehn,
Schau mit mir, Schmidt, auf unsrer Freundschaft
Zärtliche Jugend zurück und fühle,
 
Was du da fühltest, als in Umarmungen,
Die uns zusegnend der im Olympus sah,
Dein großes Herz mehr deinem Freunde
Als nur gesungene Freundschaft weihte.
 
Eh wir den Menschen kannten, den göttlichen,
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Wenn er durch Taten den, der ihn schuf, verehrt
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Den tiefsten Pöbel aller Geister,
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Wenn er sich selbst, wenn er Gott verkennet;
 
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Eh noch des Nachruhms lockender Silberton
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Dem Ohre süß klang, eh er allmächtig uns
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Mit sich im Wirbelstrome fortriß:
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Liebten wir uns unbemerkt und glücklich.
 
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Zwar horcht auch oft schon unser früh waches Ohr
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Nicht ganz unschuldig, ganz nicht unwissend mehr,
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Wenn von den liedervollen Hügeln
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Dichtern die Ewigkeit lächelnd zurief.
 
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Noch jung und furchtsam bebte die Ehrbegier
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Durch unser Herz hin. Freund, dann umarmt ich dich,
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Da hast du mir die schönsten Tränen,
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Welche mir jemals mein Herz durchdrungen,
 
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Auf meine Wangen jugendlich hingeweint:
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Tränen der Freundschaft, Tränen der Ehrbegier,
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Wenn du mit seelenvollem Auge
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Bald mich umarmtest, bald Miltons Schatten
 
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Auf heilgern Bergen, als der Parnassus ist,
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Von Seraphinen und von Uranien
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Allein besucht, sahst, menscheneinsam
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Unnachgeahmt ohne Nebenbuhler.
 
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Ich sah dich still an, und nur Uranien
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Allein bemerket, dir aber unbemerkt,
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Weissagend, in prophet'schem Geiste,
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Segnet ich, Schmidt, dich zum heilgen Dichter.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „An Herr Schmidten“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
224
Entstehungsjahr
1724 - 1803
Epoche
Empfindsamkeit

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht „An Herr Schmidten“ wurde von Friedrich Gottlieb Klopstock verfasst, einem wichtigen Vertreter des Sturm und Drang und der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Der erste Eindruck des Gedichts vermittelt eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik der Freundschaft, Kreativität und idealistischen Unsterblichkeit unter Künstlern. Klopstock setzt das lyrische Ich in eines seiner grundlegenden Motive, die der Freundschaft und der poetischen Berufung.

In einfachen Worten beschreibt das Gedicht eine tiefe Freundschaft zwischen dem lyrischen Ich und der angesprochenen Person Schmidt. Sie teilen eine gemeinsame Berufung, nämlich das Dichten. Sie erinnern sich gemeinsam an ihre 'zärtliche Jugend' und die unschuldige Freude am kreativen Schaffen. Sie erinnern sich an ihre Freundschaft, die mehr als nur gesungene Freundschaft war. Es werden auch Themen wie göttliche Verehrung und Selbstverleugnung angesprochen. Das Werk kündet von Ehrgeiz und der Sehnsucht nach Anerkennung, dem „lockenden 'Silberton' des 'Nachruhms'“. Das Gedicht schließt mit der Segnung und Proklamation Schmidts als heiliger Dichter.

In Bezug auf die Form, dieses Gedicht besteht aus neun gleich strukturierte Strophen mit je vier Versen. Die Forsm gewährt Einblick in Klopstocks elaborierter Dichtkunst, die von Klarheit und ausgewählten Motiven gekennzeichnet ist.

Die Sprache des Gedichts ist hochpoetisch und gekennzeichnet von verschiedenen Anspielungen auf die griechische Mythologie wie 'Uranien', die Muse der Astronomie, und 'Parnassus', ein Berg, der als Heimat der Musen gilt. Mit solchen Bezugnahmen betont Klopstock sowohl die hohe Stellung der Dichter - nahe der göttlichen - als auch ihren künstlerischen Auftrag, den sie gleichsam als Berufung erachten. Daher erhebt sich die Sprache in eine Art von dichterischer Liturgie, um den heiligen Charakter des kreativen Schreibens zu betonen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An Herr Schmidten“ des Autors Friedrich Gottlieb Klopstock. Geboren wurde Klopstock im Jahr 1724 in Quedlinburg. Im Zeitraum zwischen 1740 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Empfindsamkeit zugeordnet werden. Bei Klopstock handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 224 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Friedrich Gottlieb Klopstock sind „An die rheinischen Republikaner“, „Winterfreuden“ und „Das Wiedersehn“. Zum Autor des Gedichtes „An Herr Schmidten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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