Die Stunden der Weihe von Friedrich Gottlieb Klopstock

Euch Stunden, grüß ich, welche der Abendstern
Still in der Dämmrung mir zur Erfindung bringt,
O geht nicht, ohne mich zu segnen,
Nicht ohne große Gedanken weiter!
 
Im Tor des Himmels sprach ein Unsterblicher.
»Eilt, heilge Stunden, die ihr die Unterwelt
Aus diesen hohen Pforten Gottes
Selten besuchet, zu jenem Jüngling,
 
Der Gott, den Mittler, Adams Geschlechte singt!
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Deckt ihn mit dieser schattigen kühlen Nacht
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Der goldnen Flügel, daß er einsam
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Unter dem himmlischen Schatten dichte.
 
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Was ihr gebaret, Stunden, das werden einst,
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Weissaget Salem, ferne Jahrhunderte
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Vernehmen, werden Gott, den Mittler
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Ernster betrachten, und heilig leben.«
 
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Er sprachs. Ein Nachklang von dem Unsterblichen
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Fuhr mir gewaltig durch mein Gebein dahin;
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Ich stand, als ging, in Donnerwettern
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Über mir Gott, und erstaunte freudig.
 
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Daß diesem Ort kein schwatzender Prediger,
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Kein wandelloser Christ, der Propheten selbst
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Nicht fühlt, sich nahe! Jeder Laut, der
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Göttliche Dinge nicht tönt, verstumme!
 
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Deckt, heilge Stunden, decket mit eurer Nacht
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Den stillen Eingang, daß ihn kein Sterblicher
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Betrete, winkt selbst meiner Freunde
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Gerne gehorchten, geliebten Fuß weg!
 
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Nur nicht, wenn Schmidt will aus den
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Versammlungen
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Der Musen Sions zu mir herübergehn;
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Doch, daß du nur vom Weltgerichte,
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Oder von deiner erhabnen Schwester,
 
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Dich unterredest! Auch wenn sie richtet, ist
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Sie liebenswürdig. Was ihr empfindend Herz
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In unsern Liedern nicht empfunden,
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Sei nicht mehr! was sie empfand, sei ewig!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Die Stunden der Weihe“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
37
Anzahl Wörter
222
Entstehungsjahr
1724 - 1803
Epoche
Empfindsamkeit

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Stunden der Weihe“ wurde von Friedrich Gottlieb Klopstock verfasst, der von 1724 bis 1803 lebte. Demzufolge kann man dieses Gedicht in die Epoche der Aufklärung einordnen.

Erster Eindruck: Das Gedicht ist in Anbetracht seiner melancholischen und ernsthaften Atmosphäre ziemlich beeindruckend. Es gibt eine starke spirituelle Dimension, die durch den außergewöhnlichen Respekt des lyrischen Ich vor der Heiligkeit der abendlichen Stunden zum Ausdruck kommt.

Inhaltlich thematisiert das Gedicht die besondere, geheiligte Zeit, die das lyrische Ich für seine kreativen Aktivitäten nutzt. Mit der Dämmerung und dem Erscheinen des Abendsterns scheint diese Zeit anzubrechen. Es werden deutliche religiöse Bezüge genutzt, um die Heiligkeit dieser Zeit darzustellen (z.B. Jerusalem, Propheten, Gott). Ebenso deutlich ist der Hinweis auf die poesiebegünstigende Atmosphäre („Erfindung“) dieser Zeit. Das lyrische Ich bittet darum, von dieser heiligen Zeit gesegnet zu werden, damit es großartige Gedanken hervorbringen kann.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in neun vierzeilige Strophen unterteilt, mit einer Ausnahme der achten Strophe, die fünf Verse enthält. Die Sprache ist geprägt von Religiosität und einer altertümlichen, feierlichen Diktion. Die sprachliche Gestaltung mit ihrer überwiegend jambischen Metrik und den zahlreichen Enjambements trägt zur feierlich-ernsten Grundstimmung bei.

Klopstocks Gedicht „Die Stunden der Weihe“ greift also das Thema der inspirierenden Wirkung der abendlichen Stunden auf die kreative Tätigkeit des Dichters auf und verbindet dies mit religiösen Motiven, die der bevorstehenden „Segnungszeit“ eine besondere Heiligkeit und Schwerpunktigkeit verleihen. Es ist somit ein eindrucksvolles Beispiel für die Verbindung von Poesie und Religiosität in der Dichtung der Aufklärung.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Stunden der Weihe“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Gottlieb Klopstock. 1724 wurde Klopstock in Quedlinburg geboren. In der Zeit von 1740 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Empfindsamkeit zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Klopstock handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 222 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 37 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock ist auch der Autor für Gedichte wie „Winterfreuden“, „Das Wiedersehn“ und „An die nachkommenden Freunde“. Zum Autor des Gedichtes „Die Stunden der Weihe“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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