Der Rheinwein von Friedrich Gottlieb Klopstock
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O Du, der Traube Sohn, der im Golde blinkt, |
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Den Freund, sonst niemand, lad' in die Kühlung ein. |
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Wir drei sind unser wert, und jener |
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Deutscheren Zeit, da du, edler Alter, |
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Noch ungekeltert, aber schon feuriger |
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Dem Rheine zuhingst, der dich mit auferzog, |
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Und deiner heißen Berge Füße |
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Sorgsam mit grünlicher Woge kühlte. |
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Jetzt, da dein Rücken bald ein Jahrhundert trägt, |
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Verdienest du es, daß man den hohen Geist |
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In dir verstehen lern', und Catos |
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Ernstere Tugend von dir entglühe. |
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Der Schule Lehrer kennet des Tiers um ihn, |
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Kennt aller Pflanzen Seele. Der Dichter weiß |
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So viel nicht; aber seiner Rose |
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Weibliche Seele, des Weines stärkre, |
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Den jene kränzt, der flötenden Nachtigall |
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Erfindungsvolle Seele, die seinen Wein |
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Mit ihm besingt, die kennt er besser, |
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Als der Erweis, der von Folgen triefet. |
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Rheinwein, von ihnen hast du die edelste, |
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Und bist es würdig, daß du des Deutschen Geist |
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Nachahmst! bist glühend, nicht aufflammend, |
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Taumellos, stark, und von leichtem Schaum leer. |
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Du duftest Balsam, wie mit der Abendluft |
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Der Würze Blume von dem Gestade dampft, |
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Daß selbst der Krämer die Gerüche |
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Atmender trinkt, und nur gleitend fortschifft. |
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Freund, laß die Hall, uns schließen; der Lebensduft |
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Verströmet sonst, und etwa ein kluger Mann |
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Möcht, uns besuchen, breit sich setzen, |
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Und von der Weisheit wohl gar mit sprechen. |
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Nun sind wir sicher. Engere Wissenschaft, |
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Den hellen Einfall, lehr uns des Alten Geist! |
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Die Sorgen soll er nicht vertreiben! |
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Hast du geweinte, geliebte Sorgen, |
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Laß mich mit dir sie sorgen. Ich weine mit, |
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Wenn dir ein Freund starb. Nenn ihn. So starb er mir! |
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Das sprach er noch! nun kam das letzte, |
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Letzte Verstummen ! nun lag er tot da! |
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Von allem Kummer, welcher des Sterblichen |
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Kurzsichtig Leben nervenlos niederwirft, |
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Wärst du, des Freundes Tod! der trübste; |
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Wär sie nicht auch, die Geliebte, sterblich! |
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Doch wenn dich, Jüngling, andere Sorg' entflammt, |
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Und dirs zu heiß wird, daß du der Barden Gang |
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Im Haine noch nicht gingst, dein Name |
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Noch unerhöht mit der großen Flut fleußt; |
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So red'! In Weisheit wandelt sich Ehrbegier, |
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Wählt jene. Torheit ist es, ein kleines Ziel |
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Das würdigen, zum Ziel zu machen, |
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Nach der unsterblichen Schelle laufen! |
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Noch viel Verdienst ist übrig. Auf, hab es nur; |
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Die Welt wirds kennen. Aber das edelste |
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Ist Tugend! Meisterwerke werden |
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Sicher unsterblich; die Tugend selten! |
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Allein sie soll auch Lohn der Unsterblichkeit |
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Entbehren können. Atme nun auf, und trink. |
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Wir reden viel noch, eh des Aufgangs |
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Kühlungen wehen, von großen Männern. |
Details zum Gedicht „Der Rheinwein“
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1724 - 1803
Empfindsamkeit
Gedicht-Analyse
Dieses Gedicht stammt von Friedrich Gottlieb Klopstock, einem bedeutenden Dichter der deutschen Aufklärung und der beginnenden Sturm-und-Drang-Epoche. Klopstock lebte von 1724 bis 1803. „Der Rheinwein“ ist also vermutlich irgendwann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden.
Bei einer ersten Durchsicht erzeugt das Gedicht einen ruhigen, genussvollen Eindruck und scheint eine Hymne auf den deutschen Rheinwein zu sein. In Klopstocks Versen werden aber nicht nur der Wein und der Genuss desselben gewürdigt, sondern auch der Rhein als Quelle und Symbol des Weinanbaus. Die Verse zeichnen ein fast ideales Bild des Weins, der Rebe und des Flusses.
Inhaltlich geht es in dem Gedicht um eine launige Unterhaltung zwischen Freunden, die den Rheinwein trinken und dabei über verschiedene Themen philosophieren. Der Wein dient hier als Sinnbild für die Schönheit der Natur, die Kraft und Energie, die sie vermittelt, aber auch für die Lebensfreude und den Genuss. Klopstock personifiziert den Wein, spricht ihn direkt an und verdeutlicht so seine Bedeutung und seine Rolle für die Trinkgesellschaft. Dabei klingt auch eine gewisse Melancholie an, zum Beispiel im Bezug auf den Tod eines Freundes oder die eigene Sterblichkeit.
Formal besteht das Gedicht aus fünfzehn Vierzeilern (Quatrains), die streng gereimt sind. Das Versmaß ist der vierhebige Jambus, was dem Gedicht einen harmonischen, fast musikalischen Klang verleiht. Die Sprache ist klassisch und höfisch, mit zahlreichen Anspielungen und Metaphern, die sich nicht immer sofort erschließen. Die Verbindung von Wein, Philosophie und Freundschaft sowie die romantische Verklärung des Weins machen dieses Gedicht zu einem typischen Beispiel für die deutsche Rokoko-Lyrik.
Insgesamt vermittelt „Der Rheinwein“ ein harmonisches, genussvolles Bild der Weinverköstigung und zeigt gleichzeitig, wie solch ein geselliges Beisammensein zu tiefgründigen Gesprächen und philosophischen Betrachtungen führen kann. Klopstock lobt damit eine Lebenshaltung, die Genuss und Reflexion miteinander verbindet.
Weitere Informationen
Friedrich Gottlieb Klopstock ist der Autor des Gedichtes „Der Rheinwein“. Der Autor Friedrich Gottlieb Klopstock wurde 1724 in Quedlinburg geboren. Im Zeitraum zwischen 1740 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Empfindsamkeit zu. Der Schriftsteller Klopstock ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 406 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen. Der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock ist auch der Autor für Gedichte wie „An die nachkommenden Freunde“, „Das verlängerte Leben“ und „Die Musik“. Zum Autor des Gedichtes „Der Rheinwein“ haben wir auf abi-pur.de weitere 65 Gedichte veröffentlicht.
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