Storchenbotschaft von Eduard Mörike

Des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad,
Steht hoch auf der Heiden, so frühe, wie spat;
Und wenn nur ein mancher so'n Nachtquartier hätt!
Ein Schäfer tauscht nicht mit dem König sein Bett.
 
Und käm ihm zu Nacht auch was Seltsames vor,
Er betet sein Sprüchel und legt sich aufs Ohr;
Ein Geistlein, ein Hexlein, so lustige Wicht',
Sie klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht.
 
Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt:
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Es knopert am Laden, es winselt der Hund;
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Nun ziehet mein Schäfer den Riegel - ei schau!
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Da stehen zwei Störche, der Mann und die Frau.
 
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Das Pärchen, es machet ein schön Kompliment,
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Es möchte gern reden, ach, wenn es nur könnt!
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Was will mir das Ziefer? - ist so was erhört?
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Doch ist mir wohl fröhliche Botschaft beschert.
 
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Ihr seid wohl dahinten zu Hause am Rhein?
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Ihr habt wohl mein Mädel gebissen ins Bein?
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Nun weinet das Kind und die Mutter noch mehr,
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Sie wünschet den Herzallerliebsten sich her?
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Und wünschet daneben die Taufe bestellt:
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Ein Lämmlein, ein Würstlein, ein Beutelein Geld?
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So sagt nur, ich käm in zwei Tag oder drei,
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Und grüßt mir mein Bübel und rührt ihm den Brei!
 
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Doch halt! warum stellt ihr zu zweien euch ein?
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Es werden doch, hoff ich, nicht Zwillinge sein?
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Da klappern die Störche im lustigsten Ton,
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Sie nicken und knicksen und fliegen davon.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Storchenbotschaft“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
232
Entstehungsjahr
1804 - 1875
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Storchenbotschaft“ wurde von Eduard Mörike verfasst, einem bedeutenden deutschen Lyriker und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der von 1804 bis 1875 lebte. Es ist dem Realismus zuzuordnen und spiegelt die damalige bäuerliche und ländliche Kultur wider.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht eine humorvolle und heitere Stimmung zu transportieren, die durch die fantasievolle Interaktion zwischen dem Schäfer und den beiden Störchen erzeugt wird.

Der Inhalt des Gedichts folgt dem Erlebnis eines Schäfers, dessen Haus auf zwei Rädern steht und der in der Heide lebt. Er führt ein zufriedenes, gesegnetes Leben - so zufrieden, dass er es nicht einmal mit dem König tauschen würde. Auch wenn er nachts manchmal Geister oder Hexen zu spüren glaubt, stört ihn das nicht. Eines Nachts erhält er jedoch Besuch von zwei Störchen, was ihn überrascht. Die Störche sind Symbolträger der Geburt, und er interpretiert ihre Anwesenheit als Ankündigung einer freudigen Botschaft. Er vermutet, dass sein „Mädel“, das wohl weit entfernt am Rhein lebt, schwanger ist und er zu Vater wird. Er verspricht, innerhalb von drei Tagen zu kommen, und sendet Grüße an sein Kind.

Das lyrische Ich könnte eine romantische Sehnsucht nach familiärer Bindung und Heimkehr ausdrücken. Die Figur des Schäfers ist auf der einen Seite Ausdruck einer archaischen Lebensweise, auf der anderen Seite symbolisiert sie Selbstgenügsamkeit und Unabhängigkeit.

Das Gedicht besteht aus sechs Strophen, von denen fünf vier Verse und die fünfte acht Verse hat. Die gereimten Verse und der spielerische Rhythmus tragen zur Heiterkeit und Leichtigkeit des Gedichts bei. Die Sprache ist einfache Alltagssprache, gewürzt mit volkstümlichen Ausdrücken und ironischen Bemerkungen. Die ironische Bemerkung „Es werden doch, hoff ich, nicht Zwillinge sein?“ am Ende verstärkt den humorvollen Charakter des Gedichts.

Alles in allem ist „Storchenbotschaft“ ein humorvolles, volksnahes Gedicht, das das ländliche Leben auf eine heitere Weise darstellt und gleichzeitig tiefere Aussagen über Zufriedenheit, Sehnsucht und familiäres Glück transportiert.

Weitere Informationen

Eduard Mörike ist der Autor des Gedichtes „Storchenbotschaft“. 1804 wurde Mörike in Ludwigsburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1820 und 1875. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Biedermeier zugeordnet werden. Der Schriftsteller Mörike ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 232 Worte. Die Gedichte „Elfenlied“, „Er ist’s“ und „Gebet“ sind weitere Werke des Autors Eduard Mörike. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Storchenbotschaft“ weitere 171 Gedichte vor.

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