Josephine von Eduard Mörike

Das Hochamt war. Der Morgensonne Blick
Glomm wunderbar im süßen Weihrauchscheine;
Der Priester schwieg; nun brauste die Musik
Vom Chor herab zur Tiefe der Gemeine.
So stürzt ein sonnetrunkner Aar
Vom Himmel sich mit herrlichem Gefieder,
So läßt Jehovens Mantel unsichtbar
Sich stürmend aus den Wolken nieder.
 
Dazwischen hört ich eine Stimme wehen,
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Die sanft den Sturm der Chöre unterbrach;
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Sie schmiegte sich mit schwesterlichem Flehen
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Dem süß verwandten Ton der Flöte nach.
 
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Wer ist's, der diese Himmelsklänge schickt?
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Das Mädchen dort, das so bescheiden blickt.
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Ich eile sachte auf die Galerie;
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Zwar klopft mein Herz, doch tret ich hinter sie.
 
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Hier konnt ich denn in unschuldsvoller Lust
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Mit leiser Hand ihr festlich Kleid berühren,
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Ich konnte still, ihr selber unbewußt,
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Die nahe Regung ihres Wesens spüren.
 
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Doch, welch ein Blick und welche Miene,
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Als ich das Wort nun endlich nahm,
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Und nun der Name Josephine
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Mir herzlich auf die Lippen kam!
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Welch zages Spiel die braunen Augen hatten!
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Wie barg sich unterm tiefgesenkten Schatten
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Der Wimper gern die ros'ge Scham!
 
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Und wie der Mund, der eben im Gesang
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Die Gottheit noch auf seiner Schwelle hegte,
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Sich von der Töne heilgem Überschwang
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Zu mir mit schlichter Rede herbewegte!
 
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O dieser Ton - ich fühlt es nur zu bald,
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Schlich sich ins Herz und macht es tief erkranken;
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Ich stehe wie ein Träumer in Gedanken,
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Indes die Orgel nun verhallt,
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Die Sängerin vorüberwallt,
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Die Kirche aufbricht und die Kerzen wanken.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Josephine“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
37
Anzahl Wörter
239
Entstehungsjahr
1804 - 1875
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Josephine“ wurde von Eduard Mörike verfasst. Mörike wurde 1804 geboren und starb 1875, daher ist dieses Werk dem 19. Jahrhundert zuzuordnen, genauer gesagt der Epoche des Biedermeier und des Realismus.

Bei einer ersten Lektüre fallen die starke Religiosität und die Liebeserklärung an eine Frau namens Josephine auf. Die Kirche und die Musik spielen dabei eine bedeutende Rolle, sie bilden einen Rahmen, in dem die Liebe des lyrischen Ichs zu Josephine offenbart wird.

Das Gedicht besteht aus sieben Strophen mit unterschiedlichen Verszahlen. Die erste Strophe beschreibt eine kirchliche Messe, die gerade zelebriert wird. Dabei wird großer Wert auf die Beschreibung der Atmosphäre gelegt, die als feierlich und ehrfurchtsvoll dargestellt wird. In der zweiten Strophe hört das lyrische Ich eine Stimme, die es sehr berührt. In der dritten Strophe wird klar, dass diese Stimme zu einer Frau gehört, zu Josephine. Das lyrische Ich begibt sich in ihre Nähe, ohne dass sie es bemerkt. In den folgenden Strophen beschreibt das lyrische Ich seine Gefühle für Josephine und seine Bewunderung für sie. Am Ende der sechsten Strophe ändert sich die Stimmung. Das lyrische Ich beschreibt ein Gefühl des Verlustes und Einsamkeit.

Das Gedicht ist in einem eher traditionellen Versmaß geschrieben, es verwendet dabei Jamben. Die Sprache ist bildhaft und zeichnet sich durch einen romantischen Stil aus. Die verwendeten Bilder, wie etwa der „sonnetrunkene Aar“ oder „Jehovens Mantel“, sind metaphorisch und unterstreichen die feierlich-religiöse Atmosphäre des Gedichts.

Insgesamt ist dieses Gedicht eine Liebeserklärung an eine Frau namens Josephine. Dabei steht nicht nur ihre Person, sondern auch ihre Stimme und die Art, wie sie Musik erlebt und ausdrückt, im Mittelpunkt. Allerdings ist es auch ein Ausdruck von sehnsüchtiger Liebe, da das lyrische Ich zwar seine Zuneigung für Josephine deutlich macht, aber auch seine Traurigkeit über die Distanz zu ihr ausdrückt. Durch die Einbindung des religiösen Rahmens wird diese Liebe auf eine höhere, fast göttliche Ebene gehoben.

Weitere Informationen

Eduard Mörike ist der Autor des Gedichtes „Josephine“. Der Autor Eduard Mörike wurde 1804 in Ludwigsburg geboren. Zwischen den Jahren 1820 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Biedermeier zugeordnet werden. Bei Mörike handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 239 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 37 Versen. Eduard Mörike ist auch der Autor für Gedichte wie „Im Frühling“, „Septembermorgen“ und „Nimmersatte Liebe“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Josephine“ weitere 171 Gedichte vor.

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