Cromwell’s letzte Nacht von Theodor Fontane
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Mir sagt’s nicht nur des Arztes ernste Miene, |
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Selbst fühl’ ich’s, meine Stunden sind gezählt. |
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Der tolle Traum, der mich vom Lager schreckte, |
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Er war nicht Ausgeburt des heißen Hirns, |
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Auch Stimme nicht des mahnenden Gewissens, |
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Er war ein Ruf aus einer andren Welt |
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Zum Hintritt vor den Richter mich zu rüsten. |
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Ein toller Traum! wüßt ich, in nächster Nacht |
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Wird dir der Schlaf ein gleiches Schreckniß bringen, |
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So möchte diese Stunde noch der Tod |
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Statt jenes Stuart an mein Lager treten. |
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Ernst stand er vor mir; um den nackten Hals |
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Trug, statt des Schmucks, er einen rothen Streifen, |
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Und als er, wie vordem, zu leichtem Gruß |
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Nach dem Barett auf seinem Haupte fasste, |
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Nahm er den Kopf von seinem blutgen Rumpf. |
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Mein Auge schloß sich; als ich’s scheu geöffnet |
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Sah wieder ich den purpurfarbnen Streifen, |
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Er winkte mit dem Finger mir, zu folgen, |
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Und schwand dann, rückwärts schreitend, in der Thür. |
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Was schreckt das Traumbild mich des todten Mannes |
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Und weckt in mir den alten Aberglauben |
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An eines Königs Unverletzlichkeit? |
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Das Schwert des Henkers wär’ wie Glas zersprungen, |
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Wenn Gottes Will’ ihn unverletzlich schuf. |
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Was ist die Unantastbarkeit des Königs? |
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Nichts als ein Vorrecht, das die Zeit ihm leiht: |
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Sein Urahn, ein Eroberer und Mörder |
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Ist der Begründer all der Heiligkeit. |
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Der kühne Normann, der bei Hastingsfield |
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Den König Harald in den Staub geworfen, |
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Was war er Bessres als der Cromwell heut, |
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Der jenen Carl bei Marston-Moor geschlagen? |
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Es soll nicht mehr sein blutig Haupt mich schrecken! |
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Es lebt in mir: ich war ein Gotteswerkzeug, |
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Und auserwählt zu retten und zu strafen. |
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Ich sah das Schiff, vom Sturm umhergeschlagen, |
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Der Klippe nah, dran es zerschellen mußte: |
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Ich sprang hinzu, von seinem Platze drängt ich |
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Den schwachen Steurer, und mit sichrer Hand |
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Lenk ich das Schiff, als Lootse, in den Hafen. |
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Es war noch immer, galt’s ein Volk zu retten, |
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Das Recht des Stärkern nicht das schlechtste Recht. |
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Daß ich mein Thun mit seinem Tod besiegelt, |
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Es war Nothwendigkeit; er mußte sterben, |
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Es war sein Blut der Mörtel meines Bau’s. |
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Wenn in die Sendung, die an mich ergangen, |
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Ich Selbstsucht, Stolz und Eitelkeit gemischt, |
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So weißt Du Gott, der meine Nächte kennet, |
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Wie für mein Unrecht bitter ich gebüßt. |
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Mein Leben war das Leben des Tyrannen; |
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Ob nimmer auch in Blut ich mich gebadet, |
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Haß fand ich dort, wo festen Arms ich drückte, |
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Und Eifersucht, wo milden Arms ich hob. |
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Erfüllt ist meine Sendung; Gott, ich wollte |
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Des Mannes Blut wär nicht an meinen Händen! |
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Hab’ ich gefehlt, sei mir ein gnädger Richter, – |
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In Deine Hand befehl’ ich meinen Geist. |
Details zum Gedicht „Cromwell’s letzte Nacht“
Theodor Fontane
8
58
435
1851
Realismus
Gedicht-Analyse
Theodor Fontane ist der Autor des Gedichtes „Cromwell’s letzte Nacht“. Fontane wurde im Jahr 1819 in Neuruppin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1851 entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Realismus zu. Bei Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 435 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 58 Versen. Theodor Fontane ist auch der Autor für Gedichte wie „An meinem Fünfundsiebzigsten“, „Auf der Treppe von Sanssouci“ und „Ausgang“. Zum Autor des Gedichtes „Cromwell’s letzte Nacht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 214 Gedichte vor.
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