An Hermann von Eduard Mörike

Unter Tränen rissest du dich von meinem Halse!
In die Finsternis lang sah ich verworren dir nach.
Wie? auf ewig? sagtest du so? Dann lässet auf ewig
Meine Jugend von mir, lässet mein Genius mich!
Und warum? bei allem, was heilig, weißt du es selber
Wenn es der Übermut schwärmender Jugend nicht
ist?
O verwegenes Spiel! Komm! nimm dein Wort noch
zurücke!
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Aber du hörtest nicht, ließest mich staunend
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allein.
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Monde vergingen und Jahre; die heimliche Sehnsucht
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im Herzen,
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Standen wir fremd, es fand keiner ein mutiges
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Wort,
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Um den kindischen Bann, den luftgewebten, zu
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brechen,
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Und der gemeine Tag löschte bald jeglichen
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Wunsch.
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Aber heutige Nacht erschien mir wieder im Traume
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Deine Knabengestalt - Wehe! wo rett ich mich hin
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Vor dem lieblichen Bild? Ich sah dich unter den
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hohen
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Maulbeerbäumen im Hof, wo wir zusammen
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gespielt.
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Und du wandtest dich ab, wie beschämt, ich strich dir
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die Locken
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Aus der Stirne: »O du«, rief ich, »was kannst du
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dafür!«
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Weinend erwacht ich zuletzt, trüb schien der Mond
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auf mein Lager,
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Aufgerichtet im Bett saß ich und dachte dir nach.
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O wie tobte mein Herz! Du fülltest wieder den Busen
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Mir, wie kein Bruder vermag, wie die Geliebte
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nicht kann!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „An Hermann“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
201
Entstehungsjahr
1804 - 1875
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das vorgegebene Gedicht „An Hermann“ wurde von Eduard Mörike verfasst, ein deutscher Lyriker der Spätromantik, dessen Lebenszeit von 1804 bis 1875 reichte. Es kann daher in das 19. Jahrhundert, zeitlich eingegrenzt in die Epoche der Romantik, eingestuft werden.

Beim ersten Eindruck lässt das Gedicht eine starke emotionale Tiefe erkennen, mit Gefühlen von Trennung, Sehnsucht, Trauma und tiefer Liebe. Es kann als ein emotionales Ausdrucksmittel über eine tiefe zwischenmenschliche Beziehung interpretiert werden, die scheinbar abrupt und schmerzhaft beendet wurde.

Inhaltlich behandelt das Gedicht das lyrische Ich, das eine Person namens Hermann anspricht und auf eine schmerzhafte Trennungserfahrung hinweist, die es tief bewegt hat. Die Anrede „Hermann“ könnte dabei auf eine reale Person hindeuten, aber auch symbolisch für eine bestimmte Person oder Beziehung stehen. Das lyrische Ich drückt Trauer, Schock und Verwirrung über die Trennung aus, und zeigt durch die Umschreibung „Übermut schwärmender Jugend“ an, dass die Trennung möglicherweise auf eine jugendliche Unbedachtheit oder mangelnde Reife zurückzuführen ist. Nach der Trennung wird eine lange Zeit der stummen Wehmut und unausgesprochenen Sehnsucht beschrieben, bevor das lyrische Ich von einem tränenreichen Traum über eine glücklichere Vergangenheit mit Hermann erwacht. Es scheint, als ob das lyrische Ich eine tiefgründige Liebe und Bindung zu Hermann fühlt, die es weder mit einem Bruder noch mit einem Geliebten vergleichen kann.

In Form und Sprache zeigt das Gedicht eine formale und kultivierte Diktion, die sich durch lange und komplex verschachtelte Sätze auszeichnet. Die Verse weisen eine hohe syntaktische und rhythmische Komplexität auf, was eine erhöhte Aufmerksamkeit und Interpretation seitens des Lesers erfordert und das Gefühl einer intensiven emotionalen Widerhall und Tiefe verstärkt. Es gibt keine regelmäßige Reimstruktur. Die Sprache ist bildreich und metaphorisch, was zur hervorgerufenen emotionalen Intensität beiträgt. Die Intensität der Sprache und des Ausdrucks, sowie die detaillierten und lebendigen Bilder, die das lyrische Ich beschreibt, tragen dazu bei, die Gefühle von Schmerz, Verlust und Sehnsucht, die das lyrische Ich empfindet, für den Leser erfahrbar zu machen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An Hermann“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Eduard Mörike. Geboren wurde Mörike im Jahr 1804 in Ludwigsburg. Zwischen den Jahren 1820 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Biedermeier zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Mörike handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 35 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 201 Worte. Der Dichter Eduard Mörike ist auch der Autor für Gedichte wie „Er ist’s“, „Gebet“ und „Im Frühling“. Zum Autor des Gedichtes „An Hermann“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 171 Gedichte vor.

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