An Wilhelm Hartlaub von Eduard Mörike
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Durchs Fenster schien der helle Mond herein; |
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Du saßest am Klavier im Dämmerschein, |
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Versankst im Traumgewühl der Melodien |
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Ich folgte dir an schwarzen Gründen hin, |
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Wo der Gesang versteckter Quellen klang, |
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Gleich Kinderstimmen, die der Wind verschlang. |
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Doch plötzlich war dein Spiel wie umgewandt, |
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Nur blauer Himmel schien noch ausgespannt, |
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Ein jeder Ton ein lang gehaltnes Schweigen. |
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Da fing das Firmament sich an zu neigen, |
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Und jäh daran herab der Sterne selig Heer |
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Glitt rieselnd in ein goldig Nebelmeer, |
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Bis Tropf um Tropfen hell darin zerging, |
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Die alte Nacht den öden Raum umfing. |
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Und als du neu ein fröhlich Leben wecktest, |
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Die Finsternis mit jungem Lichte schrecktest, |
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War ich schon weit hinweg mit Sinn und Ohr, |
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Zuletzt warst du es selbst, in den ich mich verlor; |
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Mein Herz durchzückt' mit eins ein Freudenstrahl: |
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Dein ganzer Wert erschien mir auf einmal. |
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So wunderbar empfand ich es, so neu, |
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Daß noch bestehe Freundeslieb und Treu! |
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Daß uns so sichrer Gegenwart Genuß |
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Zusammenhält in Lebensüberfluß! |
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Ich sah dein hingesenktes Angesicht |
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Im Schatten halb und halb im klaren Licht; |
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Du ahntest nicht, wie mir der Busen schwoll, |
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Wie mir das Auge brennend überquoll. |
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Du endigtest; ich schwieg - Ach warum ist doch eben |
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Dem höchsten Glück kein Laut des Danks gegeben? |
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Da tritt dein Töchterchen mit Licht herein, |
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Ein ländlich Mahl versammelt groß und klein, |
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Vom nahen Kirchturm schallt das Nachtgeläut, |
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Verklingend so des Tages Lieblichkeit. |
Details zum Gedicht „An Wilhelm Hartlaub“
Eduard Mörike
5
34
232
1804 - 1875
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht stammt von dem Dichter Eduard Mörike, der im 19. Jahrhundert lebte und sich insbesondere durch seine lyrischen Werke einen Namen gemacht hat.
Bereits beim ersten Lesen fällt die stark bildhafte Sprache auf, die vor allem Natur- und Gefühlsszenarien zum Vorschein bringt. Die tiefgehende Freundschaft zur adressierten Person, Wilhelm Hartlaub, wird durch die Metaphern und Vergleiche mit Naturphänomenen unterstrichen.
Im Gedicht schildert das lyrische Ich ein Klavierkonzert des Freundes. Während der Freund am Klavier spielt, schaut das lyrische Ich durchs Fenster, wobei es einen starken emotionalen Rückzug in sich selbst erlebt. Es fühlt sich zur Musik hingezogen, drückt tiefe Ehrfurcht und Bewunderung aus, kann jedoch seine Freude nicht in Worte fassen. Das Gedicht endet mit der Rückkehr zu den alltäglichen Ritualen, die jedoch nach dieser Erfahrung in einem neuen Licht erscheinen.
Formal ist das Gedicht in fünf Strophen unterteilt, die jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Versen aufweisen. Diese Unregelmäßigkeit unterstreicht vielleicht die Dynamik und den Fluss der Musik, welche das lyrische Ich so tief bewegen. Die Sprache des Gedichts ist eher traditionell und beinhaltet viele poetische Bilder und Metaphern.
Zusammengefasst thematisiert das Gedicht das Erleben von Kunst und Schönheit und wie diese Erfahrungen das Individuum emotional berühren und verändern können. Es spiegelt auch die tiefe Liebe und Bewunderung des lyrischen Ichs für den Freund und Künstler wider, was durch die hohe Emotionalität und den Gebrauch von Naturmetaphern betont wird.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „An Wilhelm Hartlaub“ ist Eduard Mörike. Im Jahr 1804 wurde Mörike in Ludwigsburg geboren. Zwischen den Jahren 1820 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Biedermeier zuordnen. Bei dem Schriftsteller Mörike handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 232 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 34 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Eduard Mörike ist auch der Autor für Gedichte wie „Lose Ware“, „Gesang Weylas“ und „Auf eine Christblume“. Zum Autor des Gedichtes „An Wilhelm Hartlaub“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 171 Gedichte vor.
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