Chemnitzer Bußtag 1928 von Joachim Ringelnatz

Ich aber ging zum Tambour hin,
Weil ich nicht gern im Trüben bin,
Und weil im Tambour Lou verkehrt
Und immer vieler Männer harrt.
Und dennoch ist die Lou apart
Und wird von mir verehrt.
 
Die Lou hat hoch im Hinterbein
Flecken, die biß ein junger
Fratz von Kollegin ihr hinein,
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Aus Liebe nicht, aus Hunger.
 
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Wenn ich nicht mehr in Chemnitz bin,
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Geht ihr einmal zum Tambour hin
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Und schaut nach meiner Lou!
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Doch wer mir diese Lou verführt,
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Behandle sie, wie’s ihr gebührt
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Und zahle zehn Mark zu.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Chemnitzer Bußtag 1928“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
91
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist der deutsche Schriftsteller und Kabarettist Joachim Ringelnatz. Ringelnatz lebte von 1883 bis 1934, sodass das Gedicht „Chemnitzer Bußtag 1928“ in der Weimarer Republik entstanden sein muss, genauer im Jahr 1928.

Der erste Eindruck des Gedichts ist von einer gewissen Frivolität und leichten Melancholie geprägt. Der Titel lässt dabei an einen religiösen Hintergrund denken, doch das Gedicht selbst befasst sich mit weltlichen Themen.

Das lyrische Ich erzählt von einem Besuch in einem Etablissement namens „Tambour“, wo er Lou, eine Frau oder Tänzerin, verehrt. Lou scheint eine besondere Stellung einzunehmen und ist bei vielen Männern beliebt. Trotz ihrer sichtbaren Makel, die im Gedicht als 'Flecken' eines unbekannten Jungen dargestellt werden, wird sie von dem lyrischen Ich verehrt. Fast wehmütig fordert das lyrische Ich den Leser auf, Lou zu besuchen, wenn es nicht mehr in Chemnitz ist, und sie mit Respekt und einer zusätzlichen Zahlung zu behandeln.

Dies könnte eine Anspielung auf die gesellschaftliche Stellung von Frauen in Bordellen oder ähnlichen Einrichtungen in dieser Zeit sein und bringt womöglich einen gesellschaftskritischen Hintergrund zum Ausdruck.

Die Form des Gedichts folgt keinem klassischen Reimschema, die Verse sind jedoch weitgehend in vierhebige Jamben verfasst, was das Gedicht flüssig und leicht zu lesen macht.

Die Sprache ist unkompliziert und direkt, mit einer gewissen volkstümlichen Leichtigkeit, die typisch für Ringelnatz' Stil ist. Besondere sprachliche Bilder oder Metaphern finden sich kaum, was die Direktheit und „Bodenständigkeit“ des Gedichts unterstreicht.

Zusammenfassend handelt es sich bei „Chemnitzer Bußtag 1928“ um ein Gedicht, das auf den ersten Blick eine leichte und unterhaltsame Geschichte vom Besuch im Bordell erzählt. Bei genauerer Betrachtung wird aber deutlich, dass das Gedicht auch als sozialkritische Reflexion verstanden werden kann, die die Situation der Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft thematisiert.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Chemnitzer Bußtag 1928“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1929 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 91 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abschiedsworte an Pellka“, „Afrikanisches Duell“ und „Alone“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Chemnitzer Bußtag 1928“ weitere 560 Gedichte vor.

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