Auftrag von Eduard Mörike

In poetischer Epistel
Ruft ein desperater Wicht:
Lieber Vetter! Vetter Christel!
Warum schreibt Er aber nicht?
 
Weiß Er doch, es lassen Herzen,
Die die Liebe angeweht,
Ganz und gar nicht mit sich scherzen,
Und nun vollends ein Poet!
 
Denn ich bin von dem Gelichter,
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Dem der Kopf beständig voll;
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Bin ich auch nur halb ein Dichter,
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Bin ich doch zur Hälfte toll.
 
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Amor hat Ihn mir verpflichtet,
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Seinen Lohn weiß Er voraus,
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Und der Mund, der Ihm berichtet,
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Geht dabei auch leer nicht aus.
 
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Paß Er denn zur guten Stunde,
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Wenn Sein Schatz durchs Lädchen schaut,
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Lock ihr jedes Wort vom Munde,
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Das mein Schätzchen ihr vertraut.
 
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Schreib Er mir dann von dem Mädchen
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Ein halb Dutzend Bogen voll,
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Und daneben ein Traktätchen,
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Wie ich mich verhalten soll.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Auftrag“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
128
Entstehungsjahr
1804 - 1875
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Auftrag“ stammt von Eduard Mörike, einem deutschen Lyriker und Prosaschriftsteller aus der Epoche des Biedermeier, wobei dieser spezifische Text sich jedoch nicht eindeutig zeitlich einordnen lässt.

Das Gedicht vermittelt auf den ersten Eindruck einen humorvollen, fast satirischen Ton. Es handelt von einem verzweifelten Mann, der seinen Vetter, vermutlich einen Dichter, auffordert, für ihn ein Liebesgedicht zu verfassen.

Inhaltlich beklagt das lyrische Ich seinen Zustand der Verzweiflung, hervorgerufen durch die Liebe zu einer Frau. Er erkennt den Ernst und die Macht der Liebe, besonders in seiner Position als (halbwegs) Poet, der durch Gefühle überwältigt ist („nur halb ein Dichter“, aber „zur Hälfte toll“). Er bittet den Vetter Christel, bei einem Treffen mit seiner Geliebten jedes Wort, das diese ausspricht, festzuhalten und ihm dann ausführlich zu berichten, inklusive einer Anleitung, wie er sich in der Liebe verhalten soll.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit je vier Versen, eingehalten im traditionellen Strophenform im Versmaß des jambischen Tetrameters. Sprachlich zeichnet es sich durch einen leichten und flüssigen Ton aus, womit der mythologische Bezug auf den Gott Amor, und die Verwendung altertümlicher Formulierungen wie „Vetter“ oder „Lädchen“ kontrastieren. Die Anspielung auf Amor könnte dabei als Verweis auf die Universalität der Liebe gesehen werden, die jeden, egal welcher Profession, treffen kann.

Das Gedicht ist also mehr als eine humorvolle Anekdote; es ist eine Reflexion über die Macht der Liebe und die Schwierigkeit, sie in Worte zu fassen, selbst für einen Dichter. Mit spielerischer Ironie reflektiert Mörike auf die Rolle des Dichters und die Begrenztheit seiner Fähigkeiten, besonders in Bezug auf das Transzendente wie die Liebe. Der letzte Vers mit seiner Forderung nach einem „Traktätchen“ über das richtige Verhalten in der Liebe verweist auf die permanente Suche nach den „richtigen“ Worten und Handlungen im Kontext romantischer Beziehungen, die jedoch immer einem individuellen und situativen Kontext unterliegen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auftrag“ des Autors Eduard Mörike. 1804 wurde Mörike in Ludwigsburg geboren. Zwischen den Jahren 1820 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Biedermeier zu. Mörike ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 128 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Die Gedichte „Septembermorgen“, „Nimmersatte Liebe“ und „Lose Ware“ sind weitere Werke des Autors Eduard Mörike. Zum Autor des Gedichtes „Auftrag“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 171 Gedichte vor.

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