Deutsche Reimreinheit von Detlev von Liliencron

?Feinslieb, ich steh in dem Gesträuche,
In des Mondes hellem Bereuche,
Komm herab und neige dich, neuche
Dich zu mir - oder soll ich dich finden
In deinem Zimmerchen ganz hinden,
Oder im Garten dich begrüßen,
Wo die sinnigen Bächlein flüßen?
Wo die süßen Blaublümlein sprießen,
Darf ich dich etwa dort begrießen?
10 
Geliebte, ich will dich doch nicht betrüben,
11 
O, sieh mich dir zu Füßen lügen.
12 
O, hörst du nicht schon das Brautgeläute,
13 
Es scheint mir ein wenig sehr aus der Weute.
14 
Ha, gräßlich! Ein Rival! Ich zieh vom Leder,
15 
Und schrei Halloh und Mord und Zeder.
16 
Wie trübte das meine Herzensfreude
17 
Und gab mir so viel Herzeleude.
18 
Daß doch immer der Liebe Leiden
19 
So häßlich beschließen der Liebe Freiden."
 
20 
Hab Dank, mein Freund, für dein trefflich Lied,
21 
Das sicher im Sterben durchs Herz mir noch zieht,
22 
Nur kann ich auf den Tod nicht leiden,
23 
Wenn die Deutschen den reinen Reim vermeiden.
24 
So hab ich den Reim denn unverrückt
25 
Aus dem vorlaufenden Vers dir gepflückt.
26 
Hinfüro bitt ich dich, reime rein,
27 
Und laß das abscheuliche Schmuggeln sein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Deutsche Reimreinheit“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
27
Anzahl Wörter
177
Entstehungsjahr
1844 - 1909
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Deutsche Reimreinheit“ wurde von Detlev von Liliencron verfasst, einem deutschen Dichter, der von 1844 bis 1909 lebte. Er zählt zu den bedeutenden Lyrikern des deutschsprachigen Naturalismus und der Jahrhundertwende.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht eine humorvolle und ironische Tonlage aufweist, was typisch für Liliencrons Dichtkunst ist. Es scheint, als ob der Autor hier eine Parodie auf vorherrschende Konventionen des Dichtens und speziell den Gebrauch des Reims in der deutschen Dichtung anzufertigen versucht.

Der Inhalt lässt sich grob in zwei Teile gliedern: Die erste Strophe erzählt eine melodramatische Liebesgeschichte mit absurden Wendungen und Klischees, in der das lyrische Ich seine unerwiderte Liebe zu „Feinslieb“ beklagt. Das lyrische Ich betont seine leidenschaftliche Liebe und seine Sehnsucht, spricht von Ort und Stimmung ihrer mutmaßlichen Beziehung, erwähnt einen Rivalen und endet mit einer grässlichen Enttäuschung („So häßlich beschließen der Liebe Freiden“).

Die zweite Strophe ist eine Art kritischer Kommentar oder Reaktion auf den vorherigen Vers - auch genannt 'metapoetischer Kommentar'. Hier wird das lyrische Ich ermahnt, den „reinen Reim“ in der deutschen Sprache nicht zu vermeiden und das „nichteinhaltende Vermeiden“ sein zu lassen.

Formal fallen die unregelmäßigen Reime, die häufigen Wort- und Begriffswiederholungen sowie die Nutzung von veralteten, förmlichen und z.T. erzwungen wirkenden Formulierungen auf – anscheinend mit Absicht, um eine spezielle Atmosphäre zu erzeugen, aber auch um die allzu ernsthafte und regelbehaftete Poesie seiner Zeit zu parodieren.

Sprachlich kennzeichnet das Gedicht ein gewisses Maß an Spielerei und Kreativität, die sich in den komischen Wortneuschöpfungen und den absichtlich altertümlich und gekünstelt wirkenden Formulierungen ausdrückt. Die Pointe in der zweiten Strophe, die den „reinen Reim“ und das „abscheuliche Schmuggeln“ kritisiert, unterstreicht den ironischen und humorvollen Ton des Gedichts.

Zusammenfassend thematisiert das Gedicht „Deutsche Reimreinheit“ von Detlev von Liliencron auf ironische Weise poetische Konventionen und die Rolle des Reims in der deutschen Lyrik. Mit seiner humorvollen und teilweise parodistischen Darstellung hinterfragt und kritisiert der Autor auf spielerische Weise traditionelle Annahmen und Vorstellungen von Poesie und Dichtkunst.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Deutsche Reimreinheit“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Detlev von Liliencron. Geboren wurde Liliencron im Jahr 1844 in Kiel. Im Zeitraum zwischen 1860 und 1909 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Naturalismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Liliencron ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 177 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 27 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Detlev von Liliencron sind „König Regnar Codbrog“, „Die Musik kommt“ und „Er liebte schneidig Schön Thora“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Deutsche Reimreinheit“ weitere 63 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Detlev von Liliencron

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Detlev von Liliencron und seinem Gedicht „Deutsche Reimreinheit“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Detlev von Liliencron (Infos zum Autor)

Zum Autor Detlev von Liliencron sind auf abi-pur.de 63 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.