Campo Santo von Marie Eugenie Delle Grazie

Es thürmten sich die Wolken zu Gewittern,
In grauen Dunst gehüllt lag fern’ die See,
Durch meine Seele fühlt’ ich’s beben, zittern
Wie süße Lust, wie unaussprechlich Weh –
Es thürmten sich die Wolken zu Gewittern....
 
Und rings um mich viel blasse Leichensteine,
Umrankt vom Grün der Hoffnung üppig-weich,
Mir war, als schritt’ auch ich im Zwielicht-Scheine
Des Lebens und des Todes, ahnungsbleich –
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Und rings um mich viel blasse Leichensteine!
 
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Vampyrgleich fühlt’ ich’s mir am Herzen hangen –
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War’s alte Pein? War’s jungen Glückes Keim?
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Von bitter-süßer Schwermuth hold umfangen,
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Schritt ich verflucht und doch gesegnet heim –
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Vampyrgleich fühlt’ ich’s mir am Herzen hangen!
 
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O weh der Glückesgaben jener Stunden,
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Verwesungsduftig und gewitterschwül –
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Nun sagt es mir das Herz mit tausend Wunden,
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Daß ich geträumt aus einem Leichenpfühl –
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O weh’ der Glückesgaben jener Stunden!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.4 KB)

Details zum Gedicht „Campo Santo“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
137
Entstehungsjahr
1892
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Campo Santo“ stammt von der österreichisch-böhmischen Schriftstellerin Marie Eugenie Delle Grazie, welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts tätig war.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht eine eher düstere Stimmung aufweist und das Leitbild des Friedhofs („Campo Santo“ bedeutet „heiliges Feld“, eine Bezeichnung für Friedhof) und des Todes nutzt, um tiefe emotionale Zustände auszudrücken.

Inhaltlich berichtet das lyrische Ich von einem Spaziergang durch einen Friedhof, bei dem die Wolken sich zu einem Gewitter aufbauen. Der Friedhof im Zwielicht und die Wechselhaftigkeit der Natur spiegeln die begleitenden Gefühle des lyrischen Ichs wider - das zugleich von Süße und Leid, Hoffnung und Verzweiflung, Leben und Tod spricht.

Das lyrische Ich ist von einer innerlichen Zerrissenheit ergriffen. In der dritten Strophe bringt sie diese mit dem Bild des Vampirs zum Ausdruck, der ihr am Herzen hängt – ob dieses Monster alte Schmerzen oder neuen Glückskeim symbolisiert, bleibt offen. Diese Metapher lässt dabei eine gefühlte Ambivalenz zwischen Verderben und Segen deutlich werden.

In der abschließenden Strophe beklagt das lyrische Ich die Vergänglichkeit der Glücksmomente aus der Vergangenheit, die nun wie ein verwesender Leichnam wirken; das Herz ist von tausend Wunden gezeichnet.

Das Gedicht zeichnet sich durch seine klare, symmetrische Struktur aus. Jede der vier Strophen enthält jeweils fünf Verse. Ende und Anfang jeder Strophe sind identisch, was dem Gedicht einen zyklischen Charakter gibt und melancholischen Nachdenken über Wiederholung und Vergänglichkeit unterstreicht.

Die Sprache des Gedichts ist sehr bildhaft und benutzt starke Kontraste und Metaphern. Es enthält eine Mischung aus hohen Bildern und alltäglichen Worten, was den wechselhaften emotionalen Zustand des lyrischen Ichs sowie das Spiel zwischen Leben und Tod reflektiert. Delle Grazie nutzt reiche, emotionale Adjektive und Personifikationen, um den emotionalen Gehalt der Szene zu erhöhen und das komplexe Innenleben des lyrischen Ichs widerzuspiegeln. Insgesamt schafft die Mischung aus Dunkelheit, Tod, Naturbildern und starken emotionalen Ausdruck eine intensive, melancholische Stimmung.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Campo Santo“ der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie. Geboren wurde Delle Grazie im Jahr 1864 in Weißkirchen (Bela Crkva). Im Jahr 1892 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei der Schriftstellerin Delle Grazie handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 137 Worte. Weitere Werke der Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie sind „Beatrice Cenci“, „Capri, Capri, könnt’ ich je vergessen“ und „Cäsarenwahnsinn“. Zur Autorin des Gedichtes „Campo Santo“ haben wir auf abi-pur.de weitere 71 Gedichte veröffentlicht.

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