Es saß der Meister vom Stuhle von Clemens Brentano

Es saß der Meister vom Stuhle,
Gar frech im eignen Kot,
Wer wagt sich zu dem Pfuhle,
Es tun ihm Prügel not,
 
Wer schmeißt mich über und über,
Wer bläst das Licht mir aus,
Wer giebt mir Nasenstüber,
Wer schickt mich recht nach Haus.
 
Und kömmt er einst zum sterben,
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So stirbt sein ganzes Reich,
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Die Frösche all verderben,
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Krepiert er in dem Teich.
 
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Er saß einst an der Saale,
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Nun sitzt er auf dem Sand,
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Und hat bei seinem Mahle
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Die Esel all zur Hand.
 
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Da sitzt er, keiner frecher,
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Und platzet fast vor Wut,
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Und reicht den giftigen Becher
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Sich selbst und seiner Brut.
 
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Wir sehn ihn platzen, sinken
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Und stinken in eigner Schmer,
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Laßt ihn nur aus sich stinken,
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Dann stinkt es nimmermehr.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Es saß der Meister vom Stuhle“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
126
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Es saß der Meister vom Stuhle“ wurde von Clemens Brentano verfasst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1778 bis 1842 lebte. Der Zeitpunkt der Entstehung des Gedichts ist nicht genau bekannt, aber es lässt sich in die Epoche der Romantik einordnen, einer literarischen Bewegung, die von etwa 1795 bis 1848 andauerte.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt eine starke Ironie und beißender Spott auf. Das lyrische Ich wirft einem nicht näher benannten „Meister vom Stuhle“ vor, arrogante Selbstermächtigung und Selbstgefälligkeit an den Tag zu legen.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht einen Meister, der in seinem eigenen Dreck sitzt und trotzig jeden herausfordert, der es wagt, sich ihm zu nähern. Er wünscht sich jemanden, der ihn aus seiner misslichen Lage befreit und ihm seine Überheblichkeit austreibt. In einer späteren Strophe wird das Bild des sterbenden Meisters und seines zugrunde gehenden Reiches gezeichnet, ein klarer Hinweis auf seine schwindende Macht. Im weiteren Verlauf des Gedichts sitzt der Meister an verschiedenen Orten, was auf seine unstete und verändernde Position hinweist. Am Ende stößt er auf heftigen Widerstand und seine eigene Brut trinkt aus dem „giftigen Becher“, was auf eine Selbstzerstörung hindeuten könnte.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus sechs vierzeiligen Strophen, die jeweils paarweise gereimt sind (aabb). Die Sprache ist direkt und unverblümt, sie drückt Verachtung und Ablehnung gegenüber dem „Meister vom Stuhle“ aus. Der Großteil des Gedichts ist in der dritten Person Singular verfasst, womit das lyrische Ich eine distanzierte Position einnimmt und die Handlungen des „Meisters“ objektiviert und dadurch kritisiert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Es saß der Meister vom Stuhle“ als eine satirische Kritik an Macht- und Selbstüberschätzung interpretiert werden kann. Es verdeutlicht das unvermeidliche Scheitern des arroganten, selbstgefälligen „Meisters“, der sich selbst ins Verderben führt. Die drastische und ironische Sprache Brentanos unterstreicht dabei noch die Ablehnung und Missbilligung, die das lyrische Ich dem „Meister vom Stuhle“ entgegenbringt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Es saß der Meister vom Stuhle“ ist Clemens Brentano. 1778 wurde Brentano in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. Zwischen den Jahren 1794 und 1842 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Industrialisierung und technologischer Fortschritt sind prägend für diese Zeit. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Wichtige Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist dabei völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 126 Worte. Clemens Brentano ist auch der Autor für Gedichte wie „Als Herr Künzel neulich bat“, „Kennt ihr das Fräulein Dienchen nicht ...“ und „Zu Koblenz auf der Brücken“. Zum Autor des Gedichtes „Es saß der Meister vom Stuhle“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 298 Gedichte vor.

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