Brigitte B. von Frank Wedekind

Ein junges Mädchen kam nach Baden,
Brigitte B. war sie genannt,
Fand Stellung dort in einem Laden,
Wo sie gut angeschrieben stand.
 
Die Dame, schon ein wenig älter,
War dem Geschäfte zugetan,
Der Herr ein höherer Angestellter
Der königlichen Eisenbahn.
 
Die Dame sagt nun eines Tages,
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Wie man zu Nacht gegessen hat:
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Nimm dies Paket, mein Kind, und trag es
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Zu der Baronin vor der Stadt.
 
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Auf diesem Wege traf Brigitte
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Jedoch ein Individium,
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Das hat an sie nur eine Bitte,
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Wenn nicht, dann bringe er sich um.
 
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Brigitte, völlig unerfahren,
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Gab sich ihm mehr aus Mitleid hin.
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Drauf ging er fort mit ihren Waren
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Und ließ sie in der Lage drin.
 
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Sie konnt’ es anfangs gar nicht fassen,
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Dann lief sie heulend und gestand,
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Daß sie sich hat verführen lassen,
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Was die Madam begreiflich fand.
 
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Daß aber dabei die Turnüre
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Für die Baronin vor der Stadt
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Gestohlen worden sei, das schnüre
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Das Herz ihr ab, sie hab’ sie satt.
 
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Brigitte warf sich vor ihr nieder,
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Sie sei gewiß nicht mehr so dumm;
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Den Abend aber schlief sie wieder
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Bei ihrem Individium.
 
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Und als die Herrschaft dann um Pfingsten
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Ausflog mit dem Gesangverein,
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Lud sie ihn ohne die geringsten
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Bedenken abends zu sich ein.
 
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Sofort ließ er sich alles zeigen,
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Den Schreibtisch und den Kassenschrank,
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Macht die Papiere sich zu eigen
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Und zollt ihr nicht mal mehr den Dank.
 
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Brigitte, als sie nun gesehen,
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Was ihr Geliebter angericht’,
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Entwich auf unhörbaren Zehen
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Dem Ehepaar aus dem Gesicht.
 
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Vorgestern hat man sie gefangen,
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Es läßt sich nicht erzählen wo;
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Dem Jüngling, der die Tat begangen,
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Dem ging es gestern ebenso.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Brigitte B.“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
269
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Brigitte B.“ wurde von Frank Wedekind verfasst, einem deutschen Dramatiker und Schriftsteller, der von 1864 bis 1918 lebte. Das Gedicht entstand also im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine Erzählung in Versform. Es handelt von dem jungen Mädchen Brigitte, das in einem Laden in Baden arbeitet und dort eine Liebschaft mit einem unbekannten Mann eingeht. Dieser Mann nutzt Brigitte jedoch aus und lässt sie in prekären Situationen zurück.

Frank Wedekind beleuchtet in seinem Gedicht das Leben der jungen Brigitte, die trotz ihres jugendlichen Alters und ihrer Unerfahrenheit schon früh Verantwortung übernehmen muss und dabei auf die harte Realität stößt. Sie wird von einem Mann ausgenutzt, der sich ihr gegenüber manipulativ verhält, ihre Ware stiehlt und sie zuletzt mit den Konsequenzen allein lässt.

Das Gedicht ist in zwölf Strophen unterteilt, jede davon besteht aus vier Versen. Die Sprache ist einfach und direkt, was eine klare und schnörkellose Erzählung der Geschichte ermöglicht. Es ist in Reimform geschrieben, was dem Gedicht einen gewissen Rhythmus gibt und die Lesbarkeit erhöht.

Zusammengefasst beschreibt das Gedicht das Schicksal von Brigitte B., einer unerfahrenen jungen Frau, die von einem Mann ausgenutzt wird. Wedekind vermittelt dabei Kritik an der Gesellschaft und den Machtverhältnissen der damaligen Zeit und erweckt durch seine direkte Sprache und die klare Struktur des Gedichts einen starken Eindruck beim Leser.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Brigitte B.“ des Autors Frank Wedekind. Der Autor Frank Wedekind wurde 1864 in Hannover geboren. Im Jahr 1905 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 269 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Weitere Werke des Dichters Frank Wedekind sind „Allbesiegerin Liebe“, „Alte Liebe“ und „Altes Lied“. Zum Autor des Gedichtes „Brigitte B.“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 114 Gedichte vor.

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