Brief aus München nach Düsseldorf von Joachim Ringelnatz

Ich grüße alle die, die sich „gemeint“ —
Nach Einsicht und Gewissen — fühlen dürfen!
 
Ein herzig Tränchen, scheu nur halb geweint
Von Sonja durfte ich beim Abschied schlürfen.
 
Von lauten, dummen Menschen abgesehn,
Die allerwärts es mehr als andre gibt,
Kann ich vertraulich meiner Frau gestehn:
„Ich war dort weit — auch überschätzt — beliebt.“
 
Es war zu viel. Wo ich nicht dankbar war,
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Sei mir das bitte dieserhalb vergeben.
 
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Die Freunde in der Park-Hot-Krüger-Bar
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Sie sollen leben!
 
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Alle wollen leben
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Und deshalb wohl vergeb ich auch den Dummen.
 
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Und immer noch muß ich ein Liedchen summen:
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„Es war einmal ein treuer Husar — —“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Brief aus München nach Düsseldorf“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
100
Entstehungsjahr
1932
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert lebte. Der Verfasser dieses Gedichts ist besonders für seine humorvollen und oft absurden Texte bekannt. In „Brief aus München nach Düsseldorf“ scheint er jedoch einen ernsteren Ton anzuschlagen, wobei sein typischer Wortwitz nicht komplett fehlt.

Schon beim ersten Durchlesen fällt auf, dass das lyrische Ich seinen Aufenthalt in einer nicht näher spezifizierten Stadt - vermutlich ist München gemeint, da es der Titel suggeriert – reflektiert und seine Erlebnisse sowie Gefühle schildert. Dabei richtet es sich sowohl an eine allgemeinere wie auch spezifischere Adressatengruppe.

Im ersten Vers grüßt er allgemein diejenigen, die sich durch sein Dasein in einer bestimmten Weise „gemeint“ fühlen. Es folgt eine persönlichere Anmerkung, in der das lyrische Ich einen intimen Moment mit „Sonja“ schildert - vielleicht handelt es sich dabei um eine Liebesbeziehung oder eine enge Freundschaft. Die Tatsache, dass das lyrische Ich das Abschiedstränchen von Sonja „geschlürft“ hat, deutet auf emotionale Nähe hin.

Darüber hinaus spricht das lyrische Ich von lauten, dummen Menschen, die es überall gebe - aber auch davon, dass es zugeben kann, „auch überschätzt - beliebt“ zu sein. Diese Aussage könnte auf eine gewisse Diskrepanz zwischen der tatsächlichen und der wahrgenommenen Selbstwahrnehmung hindeuten.

Im Bezug auf die Struktur und Sprache des Gedichts fällt auf, dass das Gedicht einen recht einfachen Rhythmus und Reim aufweist, wobei jede der insgesamt sieben Strophen aus zwei Versen besteht. Die Sprache wirkt größtenteils natürlich und unverkünstelt, jedoch gibt es auch ein paar interessante Wortspiele - etwa die Formulierung, dass das lyrische Ich „auch überschätzt - beliebt“ gewesen sei, was sowohl humorvoll als auch ernst interpretiert werden könnte.

Besonders interessant ist das Ende des Gedichts, wo das lyrische Ich trotz all der genannten negativen Aspekte („zu viel“, „dumme Menschen“) seine Bereitschaft erklärt, zu vergeben. Dann schließt das Gedicht mit dem Summen eines Liedes ab - eine Referenz zu einem bekannten deutschen Volkslied – was wohl als Ausdruck der Resilienz und Lebensfreude interpretiert werden kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das lyrische Ich in Ringelnatz Gedicht „Brief aus München nach Düsseldorf“ sein erinnerungsreiches Erlebnis von einem Aufenthalt schildert und dabei sowohl positive als auch negative Emotionen hervorbringt und diese mit uns teilt. Es ist eine gelungene Darstellung des menschlichen Daseins mit all seinen Höhen und Tiefen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Brief aus München nach Düsseldorf“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1932. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 100 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Brief aus München nach Düsseldorf“ weitere 560 Gedichte vor.

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