Bajazet von Annette von Droste-Hülshoff

Der Löwe und der Leopard
Die singen Wettgesänge,
Glutsäulen heben Wettlauf an,
Und der Samum ihr Herold.
O Sonne, birg die Strahlen!
 
Was schleicht dort durch den gelben Sand,
Ist es ein wunder Schakal?
Ist es ein großer Vogel wohl,
Ein schwergetroffner Ibis?
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O Sonne, birg die Strahlen!
 
11 
Ein wunder Schakal ist es nicht,
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Kein schwergetroffner Vogel,
13 
Es ist der mächt'ge Bajazet,
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Der Reichste in Kaïro.
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Er, der die dreizehn Segel hat,
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Die reichbeladnen Schiffe,
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Auf seiner Achsel liegt der Schlauch,
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Der Stab in seiner Rechten.
19 
O Sonne, birg die Strahlen!
 
20 
»Weh dir, du unglücksel'ges Gold,
21 
Verräterisches Silber!
22 
Und weh dir, Hassan, falscher Freund,
23 
Du ungetreuer Diener!
24 
Nahmst in der Nacht die Zelte mir
25 
Und nahmst mir die Kamele.«
26 
O Sonne, birg die Strahlen!
 
27 
»Wie einen Leichnam ließest mich,
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Wie Mumien, verdorrte,
29 
Wie ein verschmachtetes Kamel,
30 
Wie ein Getier der Wüste!
31 
Und gab dir doch das reiche Gut,
32 
Die zwanzigtausend Kori.«
33 
O Sonne, birg die Strahlen!
 
34 
»So fluch' ich denn zu sieben Mal,
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Und tausendmal verfluch' ich:
36 
Daß dich verschlingen mag das Meer,
37 
Dein brennend Haus dich töten!
38 
Daß breche dein Gebein der Leu,
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Dein Blut der Tiger lecke!
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Der Beduine plündre dich,
41 
Preisgebe dich der Wüste,
42 
Daß in dem Sande du versiechst,
43 
Verschmachtend - hülflos - irrend!«
44 
O Sonne, birg die Strahlen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Bajazet“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
213
Entstehungsjahr
1797 - 1848
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Bajazet“ von Annette von Droste-Hülshoff, eine Schriftstellerin der deutschen Romantik, entstammt der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Schon beim ersten Lesen entsteht ein Bild orientalischer Landschaften und drückender Hitze.

Inhaltlich beschäftigt sich das Gedicht mit der Darstellung des reichen Mannes Bajazet, der sich in der lebensfeindlichen Umgebung einer Wüste wiederfindet. In der ersten Strophe ist das lyrische Ich Beobachter und beschreibt die farbenprächtige, doch unbarmherzigen Natur. Diese äußert sich in der vielfältigen Tierwelt, den „Glutsäulen“ und dem heißen Wüstenwind, dem Samum. Im repetitiven Ruf „O Sonne, birg die Strahlen!“ wird die feindselige, ja fast schon vernichtende Hitze betont. In der zweiten Strophe entdeckt das lyrische Ich eine Gestalt im Sand und rätselt über deren Identität.

In der dritten Strophe wird deutlich, dass es sich um Bajazet handelt, ein mächtiger und reicher Mann, doch nun offenbar verarmt und abgemagert. Das lyrische Ich beklagt den Verrat seines Dieners Hassan und den Verlust seines Reichtums. In der vierten und fünften Strophe drückt Bajazet seine Verbitterung und Ausweglosigkeit aus, während er von der vergangenen Pracht und seinem jetzigen Elend berichtet. In der sechsten Strophe verflucht er seinen Diener Hassan mit drastischen Worten und Bildern.

Formal ist „Bajazet“ in freie Verse geschrieben, welche die verzweifelte Lage des Protagonisten widerspiegeln und seine Isolation und Ohnmacht verstärken. Die Sprache ist reich und bildhaft, sie liefert ein buntes Panorama einer exotischen, doch tödlichen Landschaft und Bajazets inneren Kampf.

Zusammenfassend ist „Bajazet“ ein eindrückliches Gedicht, das das Leid eines entehrten und betrogenen Mannes in einer feindseligen Umgebung darstellt. Durch die Wüste als Metapher werden Ausweglosigkeit und Einsamkeit unterstrichen. Der Verlust, Verrat und letztendlich die Entmenschlichung des Protagonisten zeigen, dass Reichtum und Macht vergänglich sind.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Bajazet“ ist Annette von Droste-Hülshoff. 1797 wurde Droste-Hülshoff geboren. Im Zeitraum zwischen 1813 und 1848 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Biedermeier zuordnen. Bei der Schriftstellerin Droste-Hülshoff handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 213 Worte. Weitere Werke der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff sind „Kurt von Spiegel“, „Der Schloßelf“ und „Der Barmekiden Untergang“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Bajazet“ weitere 123 Gedichte vor.

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