Jahrmarkt von Joseph von Eichendorff

Sind's die Häuser, sind's die Gassen?
Ach, ich weiß nicht, wo ich bin!
Hab ein Liebchen hier gelassen,
Und manch Jahr ging seitdem hin.
 
Aus den Fenstern schöne Frauen
Sehn mir freundlich ins Gesicht,
Keine kann so frischlich schauen,
Als mein liebes Liebchen sicht.
 
An dem Hause poch ich bange
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Doch die Fenster stehen leer,
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Ausgezogen ist sie lange,
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Und es kennt mich keiner mehr.
 
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Und ringsum ein Rufen, Handeln,
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Schmucke Waren, bunter Schein,
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Herrn und Damen gehn und wandeln
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Zwischendurch in bunten Reihn.
 
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Zierlich Bücken, freundlich Blicken,
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Manches flücht'ge Liebeswort,
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Händedrücken, heimlich Nicken
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Nimmt sie all der Strom mit fort.
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Und mein Liebchen sah ich eben
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Traurig in dem lust'gen Schwarm,
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Und ein schöner Herr daneben
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Führt sie stolz und ernst am Arm.
 
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Doch verblaßt war Mund und Wange,
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Und gebrochen war ihr Blick,
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Seltsam schaut' sie stumm und lange,
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Lange noch auf mich zurück.
 
29 
Und es endet Tag und Scherzen,
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Durch die Gassen pfeift der Wind
31 
Keiner weiß, wie unsre Herzen
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Tief von Schmerz zerrissen sind.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Jahrmarkt“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
168
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Jahrmarkt“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Es ist daher in die Epoche der Romantik einzuordnen, die von zirka 1795 bis 1848 andauerte.

Bereits beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht eine melancholische Stimmung transportiert. Das lyrische Ich scheint in einem inneren Konflikt zu stehen, hin- und hergerissen zwischen der bunten, belebten Atmosphäre des Jahrmarkts und den schmerzhaften Erinnerungen an eine verlorene Liebe.

Inhaltlich vermittelt das Gedicht die Erfahrungen des lyrischen Ichs bei seiner Rückkehr in eine ihm einst vertraute Umgebung nach vielen Jahren der Abwesenheit. Die veränderte Stadt, der mit Menschenmassen erfüllte Jahrmarkt und das Vorsehen der einstigen Geliebten an der Seite eines anderen Mannes lösen bei ihm tiefe Traurigkeit und Sehnsucht aus. Trotz der feierlichen Atmosphäre des Jahrmarkts ist das lyrische Ich von einer tiefen Melancholie ergriffen, die durch den Schmerz der verflossenen Liebe hervorgerufen wird.

Das Gedicht hat eine recht regelmäßige Form - die meisten Strophen bestehen aus vier Versen. Dieser Rhythmus vermittelt ein Gefühl von Konstanz und Ordnung und steht im Kontrast zur emotionalen Verwirrung und Unruhe, die das lyrische Ich empfindet. Eichendorff verwendet eine einfache, leicht verständliche Sprache, die es ermöglicht, die Gefühle und Gedanken des lyrischen Ichs nachzuvollziehen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Verwendung von Kontrasten in dem Gedicht. Eichendorff stellt die fröhliche, ausgelassene Stimmung des Jahrmarkts dem inneren Schmerz des lyrischen Ichs gegenüber. Auch das Bild des heiteren Jahrmarkts kontrastiert mit der inneren Leere und dem Gefühl der Fremdheit, die das lyrische Ich empfindet. Diese Kontraste verstärken die emotionale Wirkung des Gedichts und machen die tiefe Traurigkeit und Sehnsucht des lyrischen Ichs besonders spürbar.

Weitere Informationen

Joseph von Eichendorff ist der Autor des Gedichtes „Jahrmarkt“. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Auch die Gebiete Geschichte, Theologie und Philosophie sowie Naturwissenschaften und Medizin waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Epoche wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Romantiker in Auflösung begriffen. Als Merkmale der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 168 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Der verliebte Reisende“, „Die Heimat“ und „In Danzig“. Zum Autor des Gedichtes „Jahrmarkt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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