Letzte Heimkehr von Joseph von Eichendorff

Der Wintermorgen glänzt so klar,
Ein Wandrer kommt von ferne,
Ihn schüttelt Frost, es starrt sein Haar,
Ihm log die schöne Ferne,
Nun endlich will er rasten hier,
Er klopft an seines Vaters Tür.
 
Doch tot sind, die sonst aufgetan,
Verwandelt Hof und Habe,
Und fremde Leute sehn ihn an,
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Als käm er aus dem Grabe;
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Ihn schauert tief im Herzensgrund,
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Ins Feld eilt er zur selben Stund.
 
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Da sang kein Vöglein weit und breit,
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Er lehnt' an einem Baume,
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Der schöne Garten lag verschneit,
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Es war ihm wie im Traume,
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Und wie die Morgenglocke klingt,
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Im stillen Feld er niedersinkt.
 
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Und als er aufsteht vom Gebet,
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Nicht weiß, wohin sich wenden,
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Ein schöner Jüngling bei ihm steht,
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Faßt mild ihn bei den Händen:
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»Komm mit, sollst ruhn nach kurzem Gang.«
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Er folgt, ihn rührt der Stimme Klang.
 
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Nun durch die Bergeseinsamkeit
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Sie wie zum Himmel steigen,
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Kein Glockenklang mehr reicht so weit,
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Sie sehn im öden Schweigen
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Die Länder hinter sich verblühn,
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Schon Sterne durch die Wipfel glühn.
 
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Der Führer jetzt die Fackel sacht
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Erhebt und schweigend schreitet,
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Bei ihrem Schein die stille Nacht
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Gleichwie ein Dom sich weitet,
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Wo unsichtbare Hände baun
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Den Wandrer faßt ein heimlich Graun.
 
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Er sprach: »Was bringt der Wind herauf
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So fremden Laut getragen,
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Als hört ich ferner Ströme Lauf,
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Dazwischen Glocken schlagen?«
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»Das ist des Nachtgesanges Wehn,
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Sie loben Gott in stillen Höhn.«
 
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Der Wandrer drauf: »Ich kann nicht mehr
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Ist's Morgen, der so blendet?
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Was leuchten dort für Länder her?«
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Sein Freund die Fackel wendet:
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»Nun ruh zum letzten Male aus,
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Wenn du erwachst, sind wir zu Haus.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Letzte Heimkehr“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
267
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Joseph von Eichendorff (1788-1857) ist der Autor des vorliegenden Gedichts „Letzte Heimkehr“. Eichendorff gehört zur Romantik, einer literarischen Epoche, die von etwa 1800 bis 1850 andauerte und von einer starken Betonung der Gefühle und einer Hinwendung zur Natur gekennzeichnet war.

Auf den ersten Eindruck hin wirkt das Gedicht melancholisch und wehmütig, gleichzeitig aber auch geheimnisvoll und spirituell. Es erzählt die Geschichte eines Wanderers, der nach langem Reisen in seine Heimat zurückkehrt, jedoch feststellen muss, dass alles verändert ist. Hinzukommen Elemente von Tod, Trauer und einer metaphysischen Reise, die das Gedicht kraftvoll und emotional machen.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht die Rückkehr eines Fremden in seine Heimat, die nun fremd und verändert erscheint. Seine Familie ist tot, sein Zuhause und Besitz wurden verändert und er wird als Außenseiter angesehen. Tief schockiert flieht der lyrische Sprecher aufs Feld und wird schließlich von einem jungen Mann auf eine Reise in die Berge geführt, wo die beiden am Ende in ein leuchtendes Land blicken. Der lyrische Sprecher scheint dabei zu sterben und in einen geistigen oder himmlischen Zustand überzugehen.

Formal besteht das Gedicht aus acht Strophen mit jeweils sechs Versen, es handelt sich also um ein umfangreiches lyrisches Werk. Die Sprache ist klar und schlicht, aber dennoch bildreich und metaphorisch. Dabei spielen Naturbilder eine wichtige Rolle, die sowohl die physische Reise des Wanderers als auch seine innere emotional und geistige Veränderung darstellen. Insbesondere die Darstellung des Wandels und die Konfrontation mit dem Unvermeidlichen, dem Tod, sind zentrale Aspekte.

Das letzte Element des Gedichts – die Heimkehr in eine andere, spirituelle Welt – kann als Interpretation des Todes verstanden werden. In dieser Lesart gäbe das Gedicht einen Einblick in Eichendorffs Vorstellungen des Lebens nach dem Tod. Es zeigt, dass trotz aller Veränderungen und dem endgültigen Abschied vom Leben eine Art Heimkehr möglich ist – freilich in eine andere, aber dennoch vertraute Welt. Dies deutet auf eine christliche Interpretation des Lebens und des Todes hin, welche für die Zeit Eichendorffs typisch ist. Dabei bilden die melancholische Grundstimmung und die Schönheit der Natur einen spannungsvollen Kontrast zu den Themen Verlust und Tod und tragen zur emotionalen Tiefe des Gedichts bei.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Letzte Heimkehr“ des Autors Joseph von Eichendorff. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . In der Zeit von 1804 bis 1857 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein andauerte. Insbesondere in den Bereichen der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Romantik kann in drei Phasen unterteilt werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Schriftstellern der Romantik zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. In der Romantik finden sich unterschiedliche charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind wichtige Motive. Auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben unbeachtet. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und gedanklicher Klarheit, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 267 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Die Gedichte „Die Heimat“, „In Danzig“ und „Kurze Fahrt“ sind weitere Werke des Autors Joseph von Eichendorff. Zum Autor des Gedichtes „Letzte Heimkehr“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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