Umkehr von Joseph von Eichendorff

Leben kann man nicht von Tönen,
Poesie geht ohne Schuh,
Und so wandt ich denn der Schönen
Endlich auch den Rücken zu.
 
Lange durch die Welt getrieben
Hat mich nun die irre Hast,
Immer doch bin ich geblieben
Nur ein ungeschickter Gast.
 
Überall zu spät zum Schmause
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Kam ich, wenn die andern voll,
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Trank die Neigen vor dem Hause,
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Wußt nicht, wem ich's trinken soll.
 
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Mußt mich vor Fortuna bücken
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Ehrfurchtsvoll bis auf die Zeh'n,
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Vornehm wandt sie mir den Rücken,
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Ließ mich so gebogen stehn.
 
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Und als ich mich aufgerichtet
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Wieder frisch und frei und stolz,
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Sah ich Berg' und Tal gelichtet,
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Blühen jedes dürre Holz.
 
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Welt hat eine plumpe Pfote,
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Wandern kann man ohne Schuh
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Deck mit deinem Morgenrote
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Wieder nur den Wandrer zu!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Umkehr“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
126
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Umkehr“ stammt von Joseph von Eichendorff, der ein bekannter deutscher Lyriker und Prosaautor des 19. Jahrhunderts war, genauer gesagt der Epoche der Romantik zugehörig.

Bei ersten Lesen entsteht ein Gefühl von Resignation und Desillusion, jedoch mit einer optimistischen Schlussnote. Eichendorffs Text lässt sich als ein Nachdenken des lyrischen Ichs über sein vergangenes Leben, seine Entscheidungen und seine Träume interpretieren.

Der Inhalt des Gedichts ergibt sich aus einer Reflexion des lyrischen Ichs über das Leben und dessen Schwierigkeiten. In den ersten Strophen (Vers 1-16) zeigt das lyrische Ich seine Enttäuschung über sein Leben, das immer eine Reihe von Entbehrungen und Herausforderungen war. Es betont, dass es das Leben nicht rein auf Kunst und Poesie abstützen kann („Leben kann man nicht von Tönen, Poesie geht ohne Schuh“), und dass es immer nur als „ein ungeschickter Gast“ in der Welt gewesen ist. Es stellt fest, dass der „Ruhm“ (die „vornehme“ Fortuna) sich ihm abgewendet hat. Die Beschreibungen legen nahe, dass das lyrische Ich eine idealisierte Vorstellung vom Leben hatte, die es enttäuscht hat.

Im zweiten Teil des Gedichts (Vers 17-24) ändert sich die Stimmung des lyrischen Ichs. Es beginnt, die Schönheit in der Welt um es herum zu sehen („sah ich Berg' und Tal gelichtet, Blühen jedes dürre Holz“) und schließt mit der Erkenntnis, dass man auch ohne materielle Dinge („ohne Schuh“) wandern kann. Das lyrische Ich scheint eine Art Neuanfang oder Umkehr im Leben vorzunehmen, dabei die Materialität und frühere Vorstellungen hinter sich lassend.

Im Hinblick auf Form und Sprache ist das Gedicht in sechs vierzeilige Strophen organisiert, die teils einen Endreim aufweisen. Die Sprache ist relativ schlicht und direkt, was die Zugänglichkeit des Gedichts erhöht. Metaphern und bildhafte Ausdrücke werden jedoch verwendet, um die Emotionen des lyrischen Ichs und den Wandel in seiner Sicht auf das Leben zu unterstreichen (z.B. „Poesie geht ohne Schuh“, „Welt hat eine plumpe Pfote“).

Die Deutung lautet daher: Das Gedicht behandelt den Themenbereich der Enttäuschung und der Resignation auf der einen Seite und der Möglichkeit von Umkehr, Neuanfang und der Fokussierung auf das Wesentliche im Leben auf der anderen. Eichendorff vermittelt eine optimistische Botschaft, dass die Anerkennung der eigenen Situation und die Anpassung der Erwartungen an das Leben zu einer erneuten Wertschätzung der Welt und einem Gefühl der Freiheit führen können.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Umkehr“ des Autors Joseph von Eichendorff. Eichendorff wurde im Jahr 1788 geboren. In der Zeit von 1804 bis 1857 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Philosophie und Musik spürbar. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Technologischer Fortschritt und Industrialisierung sind prägend für diese Zeit. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Außerdem sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde materialisiert. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 126 Worte. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Umkehr“ weitere 395 Gedichte vor.

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