Sommerschwüle von Joseph von Eichendorff

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Ich klimm zum Berg und schau zur niedern Erde,
Ich klimm hinab und schau die Berge an,
Süß-melancholisch spitzt sich die Gebärde
Und gift'ge Weltverachtung ficht mich an;
Doch will aus Schmerz und Haß nichts Rechtes
werden.
Ermanne dich! - Ich bin doch wohl ein Mann?
Und ach! wie träge Silb aus Silbe schleichet,
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Mit Not hab ich den letzten Reim erreichet.
 
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O weg mit Reim und Leierklang und Singen!
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Faß, Leben, wieder mich lebendig an!
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Mit deiner Woge will ich freudig ringen,
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Die tief mich stürzt, hebt mich auch himmelan.
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Im Sturme spannt der Adler seine Schwingen
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Blas zu! da spür ich wieder, daß ich Mann!
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Viel lieber will ich raschen Tod erwerben,
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Als, so verschmachtend, lebenslang zu sterben.
 
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2
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Die Nachtigall schweigt, sie hat ihr Nest gefunden,
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Träg ziehn die Quellen, die so kohle sprangen,
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Von trüber Schwüle liegt die Welt umfangen,
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So hat den Lenz der Sommer überwunden.
 
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Noch nie hat es die Brust so tief empfunden,
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Es ist, als ob viel Stimmen heimlich sangen:
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»Auch dein Lenz, froher Sänger, ist vergangen,
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An Weib und Kind ist nun der Sinn gebunden!«
 
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O komm, Geliebte, komm zu mir zurücke!
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Kann ich nur deine hellen Augen schauen,
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Fröhlich Gestirn in dem verworrnen Treiben:
 
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Wölbt hoch sich wieder des Gesanges Brücke,
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Und kühn darf ich der alten Lust vertrauen,
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Denn ew'ger Frühling will bei Liebe bleiben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Sommerschwüle“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
33
Anzahl Wörter
225
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sommerschwüle“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem deutschen Lyriker und Schriftsteller der Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Die Thematik des Gedichts und Eichendorffs Lebensdaten legen nahe, dass es im 19. Jahrhundert verfasst wurde.

Beim ersten Lesen des Gedichts ist spürbar, wie das lyrische Ich mit sich selbst und der Welt ringt. Es wird eine Atmosphäre von Schwermut und Müdigkeit erzeugt, die simultan mit einer gewissen Sehnsucht nach mehr Leben durchdrungen ist.

Das lyrische Ich beginnt das Gedicht mit einer Beschreibung seiner Umgebung und seines emotionalen Zustands. Es scheint zwischen den Höhen und Tiefen der Landschaft und des Lebens hin- und hergerissen zu sein. Es drückt eine tiefe Enttäuschung und Abneigung gegenüber der Welt aus und äußert eine gewisse Selbstzweifel. Dennoch fasst es Mut und fordert sich auf, stark zu sein und das Leben wieder zu ergreifen.

In der zweiten Strophe wird der Wunsch ausgedrückt, mit dem Leben selbst zu ringen, eher den Tod zu akzeptieren, als ein leeres, kraftloses Leben zu führen. Das Gedicht spricht dann von einer Betrachtung der Natur und der Welt und der Wahrnehmung, dass der Frühling vom Sommer überwunden wurde.

Im weiteren Verlauf verdichtet sich der Ausdruck der Heimatverbundenheit und die Sehnsucht nach einem erfüllten, lebensbejahenden Dasein. Das lyrische Ich ruft seine Geliebte zu sich und betont, dass ihre Augen ihm Freude und Ruhe bringen.

Formal besteht das Gedicht aus mehreren Strophen unterschiedlicher Länge und einem durchgängigen alternierenden Reimschema. Die Sprache ist geprägt von einer lebendigen, emotionalen Ausdruckskraft, die häufig typisch ist für die Lyrik der Romantik. Eichendorff verwendet viele Metaphern und naturnahe Bilder, um sein Innerstes auszudrücken und das starke Gefühl der inneren Zerrissenheit und Sehnsucht nach innerem Frieden und Zufriedenheit zu übermitteln. Er verwendet auch Musik als Metapher für Lebensfreude und Inspiration.

Zusammengefasst handelt es sich bei „Sommerschwüle“ um ein tief empfundenes, leidenschaftliches Gedicht, das die Dualität des Menschlichen Daseins – zwischen Schwermut und Lebensfreude, zwischen Resignation und Hoffnung – in einfühlsamer, bildreicher Sprache ausdrückt. Die Romantik von Eichendorffs Dichtung ist hier klar spürbar in seiner feinfühligen Naturbetrachtung und metaphorischen Ausdrucksweise.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sommerschwüle“ des Autors Joseph von Eichendorff. 1788 wurde Eichendorff geboren. In der Zeit von 1804 bis 1857 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Literaturepoche wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Schriftsteller der Romantik in Auflösung begriffen. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind bedeutende Motive. Auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben unbeachtet. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Romantiker streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das Gedicht besteht aus 33 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 225 Worte. Die Gedichte „Lied“, „Mondnacht“ und „Morgengebet“ sind weitere Werke des Autors Joseph von Eichendorff. Zum Autor des Gedichtes „Sommerschwüle“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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