Der Riese von Joseph von Eichendorff

Es saß ein Mann gefangen
Auf einem hohen Turm,
Die Wetterfähnlein klangen
Gar seltsam in den Sturm.
 
Und draußen hört' er ringen
Verworrner Ströme Gang,
Dazwischen Vöglein singen
Und heller Waffen Klang.
 
Ein Liedlein scholl gar lustig:
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Heisa, solang Gott will!
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Und wilder Menge Tosen;
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Dann wieder totenstill.
 
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So tausend Stimmen irren,
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Wie Wind' im Meere gehn,
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Sich teilen und verwirren,
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Er konnte nichts verstehn.
 
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Doch spürt' er, wer ihn grüße,
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Mit Schaudern und mit Lust,
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Es rührt' ihm wie ein Riese
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Das Leben an die Brust.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Der Riese“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
87
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Der Riese“ ist Joseph von Eichendorff, einer der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte.

Wie aus dem Titel hervorgeht, handelt das Gedicht von einem gefangenen Mann, der auf einem hohen Turm sitzt und die Welt um sich herum erlebt, ohne sie wirklich verstehen zu können. Der erste Eindruck des Gedichts kann als beunruhigend und verwirrend betrachtet werden, insbesondere mit den Bezügen zu Wetterfahnen, die seltsam im Sturm klingen, des verworrenen Stromverlaufs und des gemischten Chores von Stimmen, die er hört und nicht versteht.

Inhaltlich wird im Gedicht die Isolation des lyrischen Ichs hervorgehoben. Eingesperrt auf einem Turm kann der Protagonist nur die Geräusche und Stimmen von außen wahrnehmen, ohne die Geschehnisse wirklich zu verstehen oder daran teilzunehmen. Die Verwendung des Begriffs „Riese“ im Titel und im Schluss des Gedichts könnte symbolisch für das Leben stehen, das ihn berührt und das er in seiner Gefangenschaft beobachten, aber nicht vollständig begreifen oder beeinflussen kann.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit jeweils vier Versen. Joseph von Eichendorff verwendet eine klare und einfache Sprache, die jedoch durch die metaphorische Darstellung des Lebens eine gewisse Tiefe erhält.

Die Sprache und das Metrum des Gedichts tragen zur Ausdrucksstärke bei, indem sie eine Atmosphäre der Isolation und Verwirrung schaffen. Denn mit den sich ändernden und sich teilenden Stimmen, die der Mann hört, wird ein Eindruck der Unbeständigkeit und Unklarheit vermittelt. Andererseits wird mit dem Riesen als Symbol für das Leben ein Gefühl der Macht und des Respekts hervorgerufen. Der Kontrast zwischen diesen beiden Aspekten verleiht dem Gedicht seine besondere Wirkung.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Riese“ ist Joseph von Eichendorff. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Auch die Gebiete Geschichte, Philosophie und Theologie sowie Naturwissenschaften und Medizin waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Romantiker in Auflösung begriffen. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Verklärung des Mittelalters, die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das 87 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“. Zum Autor des Gedichtes „Der Riese“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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