Gebet von Joseph von Eichendorff

Was soll ich, auf Gott nur bauend
Schlechter sein, als all die andern,
Die, so wohlbehaglich schauend,
Froh dem eignen Nichts vertrauend,
Die gemeine Straße wandern?
 
Warum gabst du mir die Güte,
Die Gedanken himmelwärts,
Und ein ritterlich Gemüte,
Das die Treue heilig hüte
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In der Zeit treulosem Scherz?
 
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Was hast du mich blank gerüstet,
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Wenn mein Volk mich nicht begehrt,
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Keinen mehr nach Freiheit lüstet,
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Daß mein Herz, betrübt, verwüstet,
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Nur dem Grabe zugekehrt?
 
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Laß die Ketten mich zerschlagen,
17 
Frei zum schönen Gottesstreit
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Deine hellen Waffen tragen,
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Fröhlich beten, herrlich wagen,
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Gib zur Kraft die Freudigkeit!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Gebet“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
97
Entstehungsjahr
1810
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem bedeutenden Lyriker und Vertreter der Romantik. Er wurde 1788 geboren und starb 1857. Seine literarische Schaffenszeit dürfte also in etwa die ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts umspannen.

Das Gedicht macht auf den ersten Eindruck einen strengen, fast schon streitbaren Eindruck. Es ist in vier Strophen zu je fünf Verse aufgeteilt und hat einen starken religiösen Bezug. Das lyrische Ich spricht direkt zu Gott und bittet um Beistand und Verständnis.

Inhaltlich kämpft das lyrische Ich mit seinem Platz in der Gesellschaft und dem düsteren Zustand der Welt, in der es lebt. Es sieht sich selber aufgrund seines starken Glaubens als ausgestoßen und missverstanden. Es hinterfragt seine Rolle und weist auf die Ungerechtigkeit hin, dass diejenigen, die in sein Verständnis gottlos sind, problemlos ihr Leben führen können, während er schwer trägt. Es bittet Gott um die Kraft, diesen Zustand zu ändern, und sich gegen die 'Gottlosen' zur Wehr zu setzen.

Formal betrachtet besteht das Gedicht aus vier fünfzeilige Strophen. Die Theorie lässt sich aus der Verseingabe lesen, aber es gibt keine konkreten Informationen (beispielsweise zum Reimschema) in dem Textschnipsel, dass ich hier beurteilen müsste.

Sprachlich ist das Gedicht stark emotional und stellenweise recht düster. „Die gemeine Straße wandern“, „mein Herz, betrübt, verwüstet“ und „nur dem Grabe zugekehrt“ sind nur einige Beispiele für diese düstere Bildsprache. Gleichzeitig findet sich jedoch auch kämpferische Töne in dem Text wieder, vor allem im letzten Abschnitt, wo Eichendorff um die „Kraft zur Freudigkeit“ bittet. Die Sprache ist typisch für die Epoche der Romantik, mit ihrem Hang zum Pathos und ihrer emotionalen Tiefe.

Insgesamt scheint dieses Gedicht ein tiefer, fast schon verzweifelter Ausdruck des Glaubens und der Einsamkeit zu sein, die das lyrische Ich in einer Welt voller Ungläubiger empfindet. Daher kann man es als ein religiöses und gleichzeitig soziales Manifest lesen und interpretieren. Es zeigt auf beeindruckende Weise die innere Zerrissenheit und den Kampf um Glauben und Anerkennung in einer scheinbar gottlosen Gesellschaft.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Gebet“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. Im Jahr 1810 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Welt, die sich durch die einsetzende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. Die zentralen Motive der Romantik sind das Schaurige, Leidenschaftliche, Unterbewusste, Fantastische, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die romantischen Dichter sehnen sich nach der Einheit von Natur und Geist. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 97 Worte. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Auch ein Gedicht?“, „Der Isegrimm“ und „Der verliebte Reisende“. Zum Autor des Gedichtes „Gebet“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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