An die meisten von Joseph von Eichendorff

Ist denn alles ganz vergebens? Freiheit,
Ruhm und treue Sitte,
Ritterbild des alten Lebens,
Zog im Lied durch eure Mitte
Hohnverlacht als Don Quijote;
Euch deckt Schlaf mit plumper Pfote,
Und die Ehre ist euch Zote.
 
Ob sich Kampf erneut', vergliche,
Ob sich roh Gebirgsvolk raufe,
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Sucht der Klügre Weg' und Schliche,
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Wie er nur sein Haus erlaufe.
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Ruhet, stützet nur und haltet!
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Untersinkt, was ihr gestaltet,
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Wenn der Mutterboden spaltet.
 
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Wie so lustig, ihr Poeten,
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An den blumenreichen Hagen
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In dem Abendgold zu flöten,
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Quellen, Nymphen nachzujagen!
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Wenn erst mut'ge Schüsse fallen,
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Von den schönen Widerhallen
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Laßt ihr zart Sonette schallen.
 
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Wohlfeil Ruhm sich zu erringen,
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Jeder ängstlich schreibt und treibet;
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Keinem möcht das Herz zerspringen,
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Glaubt sich selbst nicht, was er schreibet.
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Seid ihr Männer, seid ihr Christen?
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Glaubt ihr, Gott zu überlisten,
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So in Selbstsucht feig zu nisten?
 
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Einen Wald doch kenn ich droben,
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Rauschend mit den grünen Kronen,
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Stämme brüderlich verwoben,
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Wo das alte Recht mag wohnen.
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Manche auf sein Rauschen merken,
34 
Und ein neu Geschlecht wird stärken
35 
Dieser Wald zu deutschen Werken.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „An die meisten“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
177
Entstehungsjahr
1810
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht namens „An die meisten“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem deutschen Dichter der Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Seine Werke fallen also hauptsächlich in das 19. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Themen Liebe, Natur und Freiheit eine wichtige Rolle in der Lyrik spielten.

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen kritischen Eindruck und scheint sich gegen gewisse Aspekte der Gesellschaft zu richten. Eichendorff spricht von Freiheit, Ruhm, Ehre und dem Ritterbild des alten Lebens, das im Lied durch die Mitte der Menschen zog und nun von diesen verlacht wird. Das lyrische Ich wirft den angesprochenen Leuten vor, dass ihnen die Ehre nichts mehr bedeutet und sie nur noch nach materiellem Gewinn streben, womit eine Kritik an der fortschreitenden Industrialisierung und Materialismus des 19. Jahrhunderts klar wird.

In Bezug auf Form und Sprache zeichnet Joseph von Eichendorff die Struktur des Gedichts durch Verszahlen und den Anfang der Strophen klar ab. Die erste Strophe beschreibt das verlorene Ideal, die zweite die neue, materialistisch orientierte Gesellschaft, die dritte kritisiert die Künstler und Poeten und die vierte geht auf die scheinheilige Religiosität ein. Die letzte Strophe scheint jedoch einen Ausweg zu bieten, einen „Wald“ symbolisch für eine Gemeinschaft oder Bewegung, die sich dem Materialismus widersetzt und zurück zu alten Werten kehrt.

Die Sprachwahl des Autors ist treffend: Sie spiegelt einerseits die Melancholie und Enttäuschung des lyrischen Ichs wider und wechselt dann zu einer mehr kritischen und anschuldigenden Tonlage. Durch die Verwendung des Don Quijote als Metapher wird deutlich, dass Eichendorffs Kritik sich vor allem gegen diejenigen richtet, die alte Werte und Ideale belächeln und als unrealistisch abtun. Dies, sowie der Aufruf zum Rückbesinnen auf alte Werte und Tugenden, sind starke Merkmale der Romantik.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An die meisten“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1810 zurück. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Der Schriftsteller Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Epoche wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Schriftsteller der Romantik in Auflösung begriffen. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind wichtige Motive. Aber auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben unbeachtet. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das Gedicht besteht aus 35 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 177 Worte. Weitere Werke des Dichters Joseph von Eichendorff sind „Auch ein Gedicht?“, „Der Isegrimm“ und „Der verliebte Reisende“. Zum Autor des Gedichtes „An die meisten“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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