Das Mädchen von Joseph von Eichendorff

Stand ein Mädchen an dem Fenster,
Da es draußen Morgen war,
Kämmte sich die langen Haare,
Wusch sich ihre Äuglein klar.
 
Sangen Vöglein aller Arten,
Sonnenschein spielt' vor dem Haus,
Draußen überm schönen Garten
Flogen Wolken weit hinaus.
 
Und sie dehnt' sich in den Morgen,
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Als ob sie noch schläfrig sei,
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Ach, sie war so voller Sorgen,
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Flocht ihr Haar und sang dabei:
 
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»Wie ein Vöglein hell und reine,
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Ziehet draußen muntre Lieb,
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Lockt hinaus zum Sonnenscheine,
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Ach, wer da zu Hause blieb'!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Das Mädchen“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
83
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Joseph von Eichendorff, der von 1788 bis 1857 lebte. Eichendorff gehört somit zur Zeit der Romantik (1795-1835), einer literarischen Periode, die oft durch einen Fokus auf Emotion, Natur und Individualismus gekennzeichnet ist.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht eine ruhige, idyllische Szenerie malt. Es beschreibt ein Mädchen, das am Fenster steht und ein alltägliches morgendliches Ritual vollzieht - sie kämmt ihre Haare und wäscht ihr Gesicht. Dabei spielt sich draußen vor dem Fenster ein lebendiges Bild von der anbrechenden Natur ab - Vögel singen, die Sonne scheint, Wolken ziehen über einem Garten hinweg.

Trotz dieser harmonischen und idyllischen Darstellung wirkt das Gedicht zugleich melancholisch. Das Mädchen nimmt an all den Geschehnissen nicht aktiv teil und bleibt in ihrem Haus, obwohl die Natur sie zu locken scheint. Ihre innere Unruhe und Sorge, auf die das lyrische Ich hinweist, stehen im Kontrast zu der Schönheit und Ruhe des Morgens draußen. Es wird deutlich, dass das Mädchen in einer Art Sehnsucht und Unruhe gefangen ist, die möglicherweise durch ihre Einsamkeit oder Unzufriedenheit mit ihrem gegenwärtigen Leben verursacht wird.

In Bezug auf Form und Sprache, folgt das Gedicht einem festen Rhythmus und Reimschema, das einfache und klare Sprache nutzt. Es besteht aus vier Strophen zu jeweils vier Versen, die ein Kreuzreim-Muster (abab) folgen. Die einfache, fast kindliche Sprache und die Wiederholung von Motiven und Aktivitäten tragen zu einem Gefühl von Alltäglichkeit und Routine bei, was die Sehnsucht des Mädchens nach einem anderen Leben, die in der letzten Strophe zum Ausdruck kommt, noch stärker hervorhebt. Ein weiteres Stilmittel, das Eichendorff einsetzt, ist die Personifikation, beispielsweise in dem Vers „Sonnenschein spielt' vor dem Haus“, was der Natur eine belebende und aktive Rolle zuweist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eichendorffs „Das Mädchen“ ein typisches Beispiel für die Romantik ist, da es sowohl die Schönheit und Harmonie der Natur hervorhebt, als auch die Sehnsucht und innere Zerrissenheit eines Individuums, das sich von der Außenwelt losgelöst fühlt.

Weitere Informationen

Joseph von Eichendorff ist der Autor des Gedichtes „Das Mädchen“. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Der Schriftsteller Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Auch die Gebiete Geschichte, Philosophie und Theologie sowie Medizin und Naturwissenschaften waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Lyriker der Romantik in Auflösung begriffen. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 83 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Die Heimat“, „In Danzig“ und „Kurze Fahrt“. Zum Autor des Gedichtes „Das Mädchen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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