Die Kleine von Joseph von Eichendorff

Zwischen Bergen, liebe Mutter,
Weit den Wald entlang,
Reiten da drei junge Jäger
Auf drei Roßlein blank,
lieb Mutter,
Auf drei Rößlein blank.
 
Ihr könnt fröhlich sein, lieb Mutter
Wird es draußen still:
Kommt der Vater heim vom Walde,
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Küßt Euch, wie er will,
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lieb Mutter,
12 
Küßt Euch, wie er will.
 
13 
Und ich werfe mich im Bettchen
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Nachts ohn Unterlaß,
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Kehr mich links und kehr mich rechts hin,
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Nirgends hab ich was,
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lieb Mutter,
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Nirgends hab ich was.
 
19 
Bin ich eine Frau erst einmal,
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In der Nacht dann still
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Wend ich mich nach allen Seiten,
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Küß, soviel ich will,
23 
lieb Mutter,
24 
Küß, soviel ich will.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Die Kleine“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
105
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Kleine“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem bedeutenden deutschen Lyriker und Schriftsteller der Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte.

Der erste Eindruck – hervorgerufen durch die wiederholende Anrede „lieb Mutter“ und die Passagen, die eine dörfliche, häusliche und naturverbundene Umgebung skizzieren – erzeugt eine Atmosphäre der Vertrautheit und Innigkeit.

Der Inhalt des Gedichts ist auf den ersten Blick recht unkompliziert: Es erzählt die Sehnsüchte und Wünsche eines jungen Mädchens, die es seiner Mutter offenbart. Die Protagonistin bewundert zunächst die Welt der Männer, repräsentiert durch die drei Jäger und ihren Vater, die in Freiheit die Welt erkunden und von Liebesfreuden kennen. Sie drückt ihre Unzufriedenheit darüber aus, dass sie in ihrer kindlichen Welt eingeschränkt und ihrer Wünsche und Begierden beraubt ist. Schließlich teilt sie mit, dass sie sich darauf freut, Frausein zu bieten, was ihr die Möglichkeit gibt, auch realen Liebesgenuss zu erfahren.

Eichendorffs Lyrik zeichnet sich durch melodischen Rhythmus, Reim und einfache, bildreiche Sprache aus. Hier benutzt er das Schema der Volksliedstrophe mit ihrer Wiederholung der letzten Zeile als Refrain („lieb Mutter“). Die Einfachheit der Sprache und die Erzählstruktur unterstreichen die Unschuld und Jugend der Erzählerin.

Es ist jedoch wichtig zu bemerken, dass Eichendorffs lyrisches Ich die traditionellen Rollenbilder der Frau anzweifelt, indem es den Wunsch hat, die männliche Freiheit und Unabhängigkeit zu erleben. Dieser Konflikt zwischen Freiheitsdrang und gesellschaftlichen Erwartungen zeichnet ein komplexes Bild des aufkeimenden weiblichen Bewusstseins in einer Zeit, in der die traditionellen Geschlechterrollen noch stärker verankert waren.

Abschließend lässt sich sagen, dass „Die Kleine“ von Joseph von Eichendorff ein einfaches, berührungsstarkes Gedicht ist, das dennoch komplexe und tiefgründige Themen auf beredte Weise behandelt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Kleine“ des Autors Joseph von Eichendorff. Eichendorff wurde im Jahr 1788 geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1804 bis 1857 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hineinreichte. Insbesondere in den Bereichen der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Welt, die sich durch die beginnende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Sehnsucht und Liebe und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 105 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Die Gedichte „Der Isegrimm“, „Der verliebte Reisende“ und „Die Heimat“ sind weitere Werke des Autors Joseph von Eichendorff. Zum Autor des Gedichtes „Die Kleine“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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