Bildnis von Rainer Maria Rilke
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Daß von dem verzichtenden Gesichte |
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keiner ihrer großen Schmerzen fiele, |
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trägt sie langsam durch die Trauerspiele |
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ihrer Züge schönen welken Strauß, |
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wild gebunden und schon beinah lose; |
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manchmal fällt, wie eine Tuberose, |
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ein verlornes Lächeln müd heraus. |
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Und sie geht gelassen drüber hin, |
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müde, mit den schönen blinden Händen, |
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welche wissen, daß sie es nicht fänden, |
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und sie sagt Erdichtetes, darin |
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Schicksal schwankt, gewolltes, irgendeines, |
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und sie gibt ihm ihrer Seele Sinn, |
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daß es ausbricht wie ein Ungemeines: |
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wie das Schreien eines Steines — |
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und sie läßt mit hochgehobnem Kinn |
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alle diese Worte wieder fallen, |
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ohne bleibend; denn nicht eins von allen |
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ist der wehen Wirklichkeit gemäß, |
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ihrem einzigen Eigentum, |
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das sie wie ein fußloses Gefäß |
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halten muß, hoch über ihren Ruhm |
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und den Gang der Abende hinaus. |
Details zum Gedicht „Bildnis“
Rainer Maria Rilke
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1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Bildnis“ wurde von dem österreichischen Dichter Rainer Maria Rilke verfasst, der von 1875 bis 1926 lebte. Rilke gehört zu den bedeutendsten Lyrikern der deutschen Literatur und seine Schreibzeit fällt hauptsächlich in den Zeitraum der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Auf den ersten Blick erweckt das Gedicht den Eindruck von Traurigkeit und Resignation. Dies zeigt sich in der melancholischen Bildsprache und der zurückhaltenden Tonlage.
Im Hinblick auf den Inhalt kann festgehalten werden, dass im Gedicht ein Frauenbild gezeichnet wird, das von Leid und Resignation geprägt ist. Sie trägt ihre Schmerzen und Sorgen mit sich und ihr Lächeln wirkt müde und verloren. Dabei scheint sie mit den Realitäten des Lebens in Konflikt zu stehen, die die Dichterin als „wehe Wirklichkeit“ beschreibt. Sie versucht, ihre eigenen Gefühle und Schicksale in Worte zu fassen – oft erfolglos, da sie feststellt, dass keine dieser Worte ihrer harten Realität gerecht wird.
In Bezug auf die Form zeigt sich, dass das Gedicht in vier Strophen unterschiedlicher Länge gestaltet ist, was eine gewisse Unregelmäßigkeit und Flexibilität im Formaufbau verdeutlicht – vielleicht ein Spiegelbild der emotionalen und psychischen Zustände des lyrischen Ichs.
Die Sprache des Gedichts ist hochpoetisch und Bilderreich. Besonders stark ist der Einsatz von Metaphern, wie „verlornes Lächeln“, „wie das Schreien eines Steines“, „wie ein fußloses Gefäß“. Diese Metaphern drücken die seelische Verfassung der Frau aus und bereichern das Gedicht auf einer metaphorischen Ebene. Das Gedicht ist in einer eher formalen, bildgewaltigen Sprache verfasst, typisch für Rilkes Schreibstil.
Das Gedicht „Bildnis“ von Rainer Maria Rilke ist ein intensives, tiefgründiges Werk, das die inneren Kämpfe und Leiden einer Frau aufgreift und in herausragender lyrischer Art auf den Punkt bringt. Es spiegelt die kraftvolle lyrische Sprache und das tiefgründige Verständnis des menschlichen Seins, das Rilkes Werk typisiert.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Bildnis“ ist Rainer Maria Rilke. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1918. In Leipzig ist der Text erschienen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 127 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 23 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke sind „Abend“, „Abend“ und „Abend“. Zum Autor des Gedichtes „Bildnis“ haben wir auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.
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