Abschied und Wiedersehn von Joseph von Eichendorff

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In süßen Spielen unter nun gegangen
Sind Liebchens Augen, und sie atmet linde,
Stillauschend sitz ich bei dem holden Kinde,
Die Locken streichelnd ihr von Stirn und Wangen.
 
Ach! Lust und Mond und Sterne sind vergangen,
Am Fenster mahnen schon die Morgenwinde:
Daß ich vom Nacken leis die Arme winde,
Die noch im Schlummer lieblich mich umfangen.
 
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O öffne nicht der Augen süße Strahle!
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Nur einen Kuß noch - und zum letzten Male
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Geh ich von dir durchs stille Schloß hernieder.
 
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Streng greift der eis'ge Morgen an die Glieder,
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Wie ist die Welt so klar und kalt und helle
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Tiefschauernd tret ich von der lieben Schwelle.
 
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2
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Ein zart Geheimnis webt in stillen Räumen,
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Die Erde löst die diamantnen Schleifen,
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Und nach des Himmels süßen Strahlen greifen
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Die Blumen, die der Mutter Kleid besäumen.
 
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Da rauscht's lebendig draußen in den Bäumen,
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Aus Osten langen purpurrote Streifen,
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Hoch Lerchenlieder durch das Zwielicht
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schweifen
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Du hebst das blühnde Köpfchen hold aus
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Träumen.
 
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Was sind's für Klänge, die ans Fenster flogen?
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So altbekannt verlocken diese Lieder,
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Ein Sänger steht im schwanken Dämmerschein.
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Wach auf! Dein Liebster ist fernher gezogen,
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Und Frühling ist's auf Tal und Bergen wieder
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Wach auf, wach auf, nun bist du ewig mein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Abschied und Wiedersehn“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
202
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Abschied und Wiedersehn“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem deutschen Lyriker und Schriftsteller der Romantik, der zwischen 1788 und 1857 lebte.

Der erste Eindruck beim Lesen des Gedichts ist eine starke Melancholie und ein Ausdruck von Abschiedsschmerz und anhaltender Liebe.

Das Gedicht erzählt in stilvoller und bildreicher Sprache die Geschichte einer abendlichen Abschiedsszene. Das lyrische Ich sitzt bei seiner schlafenden Geliebten und streicht ihr die Locken von der Stirn. Der morgendliche Wind mahnt ihn, dass es Zeit ist zu gehen. Mit einem letzten Kuss verlässt das lyrische Ich seine Geliebte und tritt in die kalte, klare Morgenwelt hinaus. In der letzten Strophe kehrt das lyrische Ich zu seiner Geliebten zurück, sie erweckt aus ihren Träumen und die beiden sind ewig vereint.

Die sprachlichen Bilder des Gedichts, wie die süßen Träume und die kalten Morgenwinde, unterstreichen die Kontraste zwischen der warmen Nähe der Geliebten und der kalten Welt außerhalb. Das lyrische Ich zögert und hadert mit dem bevorstehenden Trennungsschmerz, doch das Aufkeimen des Tages und der Frühling symbolisieren Hoffnung und Wiedergeburt, die Wiedervereinigung mit seiner Geliebten.

Das Gedicht hat sieben Strophen mit unterschiedlich vielen Versen, die alle in einem reichen und bildhaften Vokabular geschrieben sind. Die Sprache des Gedichts ist typisch für die Epoche der Romantik, mit einer starken Betonung von Gefühlen und sinnlicher Erfahrung. Sie ist melodisch und rhythmisch, gibt dem Gedicht einen musikalischen Klang, der die Emotionen des lyrischen Ichs unterstreicht.

Insgesamt interpretiere ich das Gedicht als eine Darstellung der starken Emotionen, die Abschiede und Wiedersehen hervorrufen können, eingekleidet in schöne und bewegende Sprache, die der Schönheit und Würde dieser menschlichen Erfahrungen gerecht wird.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Abschied und Wiedersehn“ ist Joseph von Eichendorff. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1804 bis 1857 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 zeitlich eingeordnet werden. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die damalige Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Verklärung des Mittelalters, die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Bedeutende Symbole sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Literatur ist dabei völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 202 Worte. Weitere Werke des Dichters Joseph von Eichendorff sind „Abschied“, „Antwort“ und „Auch ein Gedicht?“. Zum Autor des Gedichtes „Abschied und Wiedersehn“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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