Die Einsame von Joseph von Eichendorff
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Wenn morgens das fröhliche Licht bricht ein, |
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Tret ich zum offenen Fensterlein, |
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Draußen gehn lau die Lüft auf den Auen, |
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Singen die Lerchen schon hoch im Blauen, |
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Rauschen am Fenster die Bäume gar munter, |
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Ziehn die Brüder in den Wald hinunter; |
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Und bei dem Sange und Hörnerklange |
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Wird mir immer so bange, bange. |
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Wüßt ich nur immer, wo du jetzo bist, |
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Würd mir schon wohler auf kurze Frist. |
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Könntest du mich nur über die Berge sehen |
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Dein gedenkend im Garten gehen: |
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Dort rauschen die Brunnen jetzt alle so eigen, |
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Die Blumen vor Trauern im Wind sich neigen. |
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Ach! von den Vöglein über die Tale |
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Sei mir gegrüßt vieltausend Male! |
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Du sagtest gar oft: »Wie süß und rein |
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Sind deine blauen Äugelein!« |
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Jetzo müssen sie immerfort weinen, |
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Da sie nicht finden mehr, was sie meinen; |
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Wird auch der rote Mund erblassen, |
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Seit du mich, süßer Buhle, verlassen. |
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Eh du wohl denkst, kann das Blatt sich wenden, |
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Geht alles gar bald zu seinem Ende. |
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Die Welt ruht still im Hafen, |
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Mein Liebchen, gute Nacht! |
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Wann Wald und Berge schlafen, |
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Treu' Liebe einsam wacht. |
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Ich bin so wach und lustig, |
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Die Seele ist so licht, |
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Und eh ich liebt, da wußt ich |
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Von solcher Freude nicht. |
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Ich fühl mich so befreiet |
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Von eitlem Trieb und Streit, |
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Nichts mehr das Herz zerstreuet |
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In seiner Fröhlichkeit. |
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Mir ist, als müßt ich singen |
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So recht aus tiefster Lust |
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Von wunderbaren Dingen, |
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Was niemand sonst bewußt. |
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O könnt ich alles sagen! |
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O wär ich recht geschickt! |
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So muß ich still ertragen, |
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Was mich so hoch beglückt. |
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Wär's dunkel, ich läg im Walde, |
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Im Walde rauscht's so sacht, |
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Mit ihrem Sternenmantel |
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Bedecket mich da die Nacht, |
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Da kommen die Bächlein gegangen: |
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Ob ich schon schlafen tu? |
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Ich schlaf nicht, ich hör noch lange |
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Den Nachtigallen zu, |
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Wenn die Wipfel über mir schwanken, |
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Es klinget die ganze Nacht, |
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Das sind im Herzen die Gedanken, |
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Die singen, wenn niemand wacht. |
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Im beschränkten Kreis der Hügel, |
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Auf des stillen Weihers Spiegel |
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Scheue, fromme Silberschwäne |
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Fassend in des Rosses Mähne |
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Mit dem Liebsten kühn im Bügel |
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Blöde Bande - mut'ge Flügel |
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Sind getrennter Lieb Gedanken! |
Details zum Gedicht „Die Einsame“
Joseph von Eichendorff
10
67
353
1788 - 1857
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Einsame“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem bedeutenden Dichter und Schriftsteller der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte.
Auf den ersten Blick scheint das Gedicht eine intensive Atmosphäre der Melancholie und Einsamkeit zu vermitteln, die sich durch alle zehn Strophen hindurchzieht. Dabei ist es inhaltlich sorgfältig strukturiert und verdeutlicht die Emotionen des lyrischen Ichs auf stimmungsvolle Weise.
Der Inhalt des Gedichts spiegelt das tiefe Sehnen und die Traurigkeit des lyrischen Ichs in seiner Einsamkeit wider. In den ersten beiden Strophen erweckt die natürliche Umgebung eine Stimmung von Wehmut und Ferne. Es gibt Hinweise auf einen geliebten Menschen, der nicht mehr anwesend ist („Wüsst ich nur immer, wo du jetzt bist“), und der Verlust dieser Person hat das lyrische Ich in eine tiefe Traurigkeit versetzt. Die dritte und vierte Strophe intensivieren diesen Kummer und drücken das Verlangen nach dem Geliebten aus („Ich bin so wach und lustig, Die Seele ist so licht, Und eh ich liebte, da wusste ich Von solcher Freude nicht“). Trotz dieser Verzweiflung gibt es auch Momente der Heiterkeit und Hoffnung, insbesondere in den mittleren Strophen, wo das lyrische Ich das Gefühl hat, durch die Liebe befreit und erfüllt zu sein. Die letzte Strophe kehrt jedoch zum Ausgangsthema des Gedichts zurück, indem sie die eingehende Stille und Dunkelheit darstellt, die die Einsamkeit des lyrischen Ichs symbolisieren.
Formal besteht das Gedicht aus zehn Strophen, die jeweils in ihrer Länge variieren und sich in Reimschema und Metrum abwechseln, was das Gedicht dynamisch und lebendig gestaltet. Die Sprache ist altmodisch und bilderreich und enthält viele Naturmetaphern, die typisch für Eichendorff und die Romantik sind.
Insgesamt vermittelt „Die Einsame“ sehr eindrücklich das Gefühl von Sehnsucht und Einsamkeit, das durch die Abwesenheit eines geliebten Menschen hervorgerufen wird. Es zeigt, wie tiefgreifend solch eine Erfahrung sein kann und wie sie das Weltempfinden des lyrischen Ichs beeinflusst. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Liebe trotz ihrer momentanen Abwesenheit das Potential hat, Glück und Erfüllung zu schaffen. Die Natur wird dabei als ein Spiegel des inneren Empfindens des lyrischen Ichs dargestellt, was eine weitere charakteristische Eigenschaft der romantischen Poesie ist.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Einsame“ des Autors Joseph von Eichendorff. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis spät in das 19. Jahrhundert hineinreichte. Insbesondere auf den Gebieten der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Welt, die sich durch die einsetzende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Verklärung des Mittelalters, die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Wichtige Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Literatur ist dabei völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.
Das Gedicht besteht aus 67 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 353 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Der Isegrimm“, „Der verliebte Reisende“ und „Die Heimat“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Einsame“ weitere 395 Gedichte vor.
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