Mariä Sehnsucht von Joseph von Eichendorff

Es ging Maria in den Morgen hinein,
Tat die Erd einen lichten Liebesschein,
Und über die fröhlichen, grünen Höhn,
Sah sie den bläulichen Himmel stehn.
»Ach, hätt ich ein Brautkleid von Himmelsschein,
Zwei goldene Flüglein - wie flög ich hinein!«
 
Es ging Maria in stiller Nacht,
Die Erde schlief, der Himmel wacht',
Und durchs Herze, wie sie ging und sann und dacht,
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Zogen die Sterne mit goldener Pracht.
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»Ach, hätt ich das Brautkleid von Himmelsschein,
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Und goldene Sterne gewoben drein!«
 
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Es ging Maria im Garten allein,
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Da sangen so lockend bunt' Vögelein,
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Und Rosen sah sie im Grünen stehn,
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Viel rote und weiße so wunderschön.
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»Ach, hätt ich ein Knäblein, so weiß und rot,
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Wie wollt ich's liebhaben bis in den Tod!«
 
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Nun ist wohl das Brautkleid gewoben gar,
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Und goldene Sterne im dunkelen Haar,
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Und im Arme die Jungfrau das Knäblein hält,
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Hoch über der dunkelerbrausenden Welt,
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Und vom Kindlein gehet ein Glänzen aus,
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Das ruft uns nur ewig: nach Haus, nach Haus!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.2 KB)

Details zum Gedicht „Mariä Sehnsucht“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
164
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Joseph von Eichendorff, ein prominenter Vertreter der Romantik, schrieb das Gedicht „Mariä Sehnsucht“. Das Gedicht entstand vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht von Sehnsucht und Wünschen zu handeln, welche die Protagonistin Maria in eine himmlische oder übernatürliche Ebene entführen. Identifiziert wird sie häufig mit Maria, der Mutter Jesu, was auf einen religiösen Kontext hinweist.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils sechs Versen. In den ersten drei Strophen beschreibt das lyrische Ich Marias Wünschen und Sehnsucht: nach einem Brautkleid aus Himmelsschein, goldenen Flügeln, Sternen und einem Kind. In jeder Strophe verändert sich die Umgebung - vom Morgen, zur stillen Nacht, bis zum Garten. In der letzten und vierten Strophe erfüllen sich Marias Wünsche. Sie hat ein Brautkleid, Sterne im Haar und ein Kind im Arm und in diesem Kind, offenbart sich das Göttliche.

Das lyrische Ich interpretiert Marias Sehnsucht als Wunsch nach Einheit und Verbindung mit dem Göttlichen. Diese wird durch die wiederkehrende Idee des Brautkleides und der Hochzeit dargestellt, die als Metapher für die spirituelle Vereinigung mit dem Göttlichen verstanden werden können. Durch das Kind wird Maria zur Mutter und damit zur Verkörperung von unbedingter Liebe und Fürsorge.

Sprachlich erinnert das Gedicht durch seine einfache Sprache und den Reim (Kreuzreim) an ein Volkslied. Die Strophen haben einen einheitlichen Aufbau: die ersten vier Verse beschreiben Marias Umgebung und Handlung, die beiden letzten Zeilen offenbaren ihre Sehnsüchte. Durch den häufigen Gebrauch des Konjunktivs („hätt ich“) wird Marias Sehnsucht eindrücklich betont.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass das Gedicht „Mariä Sehnsucht“ die religiöse Sehnsucht nach einer Verbindung mit dem Göttlichen verkörpert und dabei sowohl menschliche als auch göttliche Liebe thematisiert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Mariä Sehnsucht“ des Autors Joseph von Eichendorff. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Der Schriftsteller Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Musik und Philosophie spürbar. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Sehnsucht und Liebe und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Literatur der Romantik. Sie ist der Schauplatz für zahlreiche weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das vorliegende Gedicht umfasst 164 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Weitere Werke des Dichters Joseph von Eichendorff sind „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Mariä Sehnsucht“ weitere 395 Gedichte vor.

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