Der Fromme von Joseph von Eichendorff

Es saß ein Kind gebunden und gefangen,
Wo vor der Menschen eitlem Tun und Schallen
Der Vorzeit Wunderlaute trüb verhallen;
Der alten Heimat dacht es voll Verlangen.
 
Da sieht es draußen Ströme, hell ergangen,
Durch zaubrisch Land viel Pilger, Sänger wallen,
Kühl rauscht der Wald, die lust'gen Hörner
schallen,
Aurora scheint, so weit die Blicke langen.
 
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O laß die Sehnsucht ganz dein Herz durchdringen!
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So legt sich blühend um die Welt dein Trauern
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Und himmlisch wird dein Schmerz und deine
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Sorgen.
 
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Ein frisch Gemüt mag wohl die Welt bezwingen,
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Ein recht Gebet bricht Banden bald und Mauern:
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Und frei springst du hinunter in den Morgen.
 
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Willkommen, Liebchen, denn am Meeresstrande!
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Wie rauschen lockend da ans Herz die Wellen
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Und tiefe Sehnsucht will die Seele schwellen,
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Wenn andre träge schlafen auf dem Lande.
 
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So walte Gott! - ich lös des Schiffleins Bande,
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Wegweiser sind die Stern, die ewig hellen,
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Viel Segel fahren da und frisch' Gesellen
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Begrüßen uns von ihrer Schiffe Rande.
 
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Wir sitzen still, gleich Schwänen zieht das Segel,
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Ich schau in deiner Augen lichte Sterne,
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Du schweigst und schauerst heimlich oft
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zusammen.
 
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Blick auf! Schon schweifen Paradiesesvögel,
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Schon wehen Wunderklänge aus der Ferne,
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Der Garten Gottes steigt aus Morgenflammen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Fromme“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
31
Anzahl Wörter
200
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Der Fromme“ und stammt aus der Feder von Joseph von Eichendorff, einem der bedeutendsten Vertreter der deutschen Romantik. Eichendorff wurde 1788 geboren und verstarb 1857, wodurch das Gedicht in die Epoche der Romantik einzuordnen ist, die von etwa 1795 bis 1848 andauerte.

Ein erster Eindruck des Gedichts vermittelt das Bild einer gefangenen und geträumten Sehnsucht, einer Hoffnung und schließlich einer Erlösung und spirituellen Reise, die zu Gott führt.

Das Gedicht erzählt die Geschichte eines Kindes, das in seinen Gedanken und Sehnsüchten gefangen ist. Durch seine innere Vision sieht es eine strahlende Welt außerhalb seiner physischen Begrenzungen. Es scheint, dass es die Welt durch eine mystische oder spirituelle Linse sieht. Die Sehnsucht des Kindes lässt es die Schönheit der Welt um sich herum sehen, die es letztlich von seinen Sorgen befreit. Das lyrische Ich ermutigt das Kind, seine Sehnsucht die Kontrolle übernehmen zu lassen, ein fröhliches Gemüt und ein aufrichtiges Gebet würden es befreien.

In den letzten Strophen verlässt das lyrische Ich das physische Land und begibt sich auf eine spirituelle Reise, indem es ein Segelboot benutzt, das an die ewigen Sterne und letztlich an Gott gebunden ist. Die weitere Reise wird durch romantische und mystische Bilder eines Garten Gottes, Paradiesvögeln und wundersamen Klängen aus der Ferne beschrieben.

Formal besteht das Gedicht aus acht Strophen von unterschiedlicher Länge, viele davon in Vierzeilern. Der Versbau zeigt ein regelmäßiges Metrum und einen alternierenden Reim.

Die Sprache des Gedichts ist symbolisch und metaphorisch, was in der Romantik typisch ist. Es gibt viele Naturbilder und -klänge und viele Elemente weisen auf die Spiritualität und den tiefen Glauben hin. Bei der Verwendung von Begriffen wie „Gott“, „Gebet“, „Paradiesvögel“ und „Garten Gottes“ ist eine starke christliche Symbolik erkennbar.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Der Fromme“ von Joseph von Eichendorff eine spirituelle Erzählung über die therapeutische und befreiende Kraft der Sehnsucht ist. Es betont die Bedeutung der Hoffnung und des tiefen Glaubens und stellt die physische Welt mit ihrer Schönheit und ihrem eitlen Tun den himmlischen und spirituellen Reichen gegenüber.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Fromme“ des Autors Joseph von Eichendorff. Eichendorff wurde im Jahr 1788 geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Epoche lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Literaturepoche der Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. Im gesamten Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Technologischer Fortschritt und Industrialisierung sind prägend für diese Zeit. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Ursprung der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das Gedicht besteht aus 31 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 200 Worte. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“. Zum Autor des Gedichtes „Der Fromme“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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